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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte
Autoren: Jennifer Benkau
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stummes
Okay?
.
    „Ich dachte, du magst das.“
    Das hatte sie auch gedacht. Bis jetzt. Ihre Augen hatten sich inzwischen so sehr an die Dunkelheit gewöhnt, dass diese im Süden die hügligen Umrisse des Cerro da Cabeca freigab. „Irgendwie ist es hier anders“,gestand sie. „Ich will nicht fort und frage mich, warum. Was meinte Elias, als er von euren Traditionen sprach?“
    Nicholas gab ein missmutiges Geräusch von sich, halb Knurren, halb Seufzen. „Geschichten. Es heißt, ein Dämon, der sein endgültiges Gegenstück gefunden hat, bringt es an den Ort zurück, an dem sein Portal zu dieser Welt liegt. Der Ort, an dem er beschworen wurde.“ Er wiederholte den abfälligen Laut. „Was angeblich schon zu manchen Trennungen geführt hat. Normalerweise binden wir uns artintern und dann kommt es zu einem Konflikt, da es beide Partner an den Ort ihrer Beschwörung zieht.“
    Es gelang Joana nicht, darüber zu lachen, obwohl die Vorstellung von einem zankenden Dämonenpaar sie amüsierte. „Sind wir deshalb hier?“
    „Nein. Ich wurde im Norden dieses Landes beschworen, Jo. Nicht hier.“
    „Dann wolltest du mich nicht an diesen Ort bringen?“
    „Es sind bloß Geschichten.“ Er schwieg und pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Aber irgendwann bringe ich dich hin.“ Jäh erhob er sich und verlieh seinen Worten damit den Effekt einer Drohung statt eines Versprechens. „Komm rein, es wird kalt.“
    „Wann brechen wir auf?“, fragte sie, seine Aufforderung ignorierend.
    „Morgen. Komm jetzt.“
    Für einen Moment lauschte Joana dem Rauschen der Bäume im Wind. Alles schien voller Schatten. Da war er also wieder, der Nicholas, der es gewohnt war, Entscheidungen zu treffen, ohne wenigstens vorzugeben, dass ihn die Meinung anderer interessiert. „Nein. Lass uns noch einen Tag bleiben. Ich will morgen Abend noch einmal zum Strand runter. Vielleicht haben wir Glück und einer der Fischer macht ein Feuer und verkauft gebratenen Stockfisch.“ Die Möglichkeit bestand auch im Herbst durchaus. Ein spontanes Lagerfeuer lockte an kühlen Abenden immer Menschen an. Irgendwer hatte meist eine portugiesische Gitarre dabei, und wenn deren Töne erst den Strand entlangwehten, dauerte es nie lange, bis sich ein Einheimischer fand, der dazu den Fado sang. Melancholische Lieder, die erzählen, was Menschen träumen, hier und überall auf der Welt. Und nicht nur Menschen hatten diese Träume.
    An diesen Abenden saßen sie meist abseits der Portugiesen. Vielleicht, weil Joana annahm, nicht zu ihnen zu passen. Weil die Sprache ihr noch schwerfiel und sie sich schämte, ins Englische ausweichen zu müssen, sobald sie die richtigen Worte nicht fand. Vielleicht aber auch, weil sie Nicholas nicht in der Nähe dieser emotionalen Leute sehen wollte. Der Dämon in ihm brauchte die Gefühle von Menschen, davon lebte er. Er traf seine Auswahl unwillkürlich wie instinktiv, und sie war dankbar, dass er dies im Stillen tat. Nie ließ er sie erfahren, wenn er einen Menschen seiner Emotionen beraubte. Sie wusste, dass es seinen Stolz verletzte, sein wahres Sein vor ihr zu verbergen. Daher verschloss sie die Augen dankbar und akzeptierte den bitteren Geschmack der Verdrängung. Die Liebe zwischen einem Dämon und einer Jägerin hatte ihren Preis. Solange Moral und Stolz das Einzige waren, zahlten sie ihn beide gern. Wenn Nicholas aufs Meer blickend am Strand saß, salziger Wind an seinem inzwischen schulterlangen Haar zupfte und der Feuerschein auf seinem Gesicht spielte – Schatten malte, die wirklich nur harmlose Lichtumrisse waren – fiel dies unverschämt leicht. „Es wäre ein schöner Abschied“, murmelte sie in sein Schweigen hinein. „Denkst du, es wäre ein Problem?“
    Er kniete erneut neben ihr nieder und drehte ihr Gesicht in seine Richtung. Verdammt, ihre Augen glänzten sicher feucht. Seine waren dunkel.
    „Nein, kein Problem. Wir bleiben noch ein paar Tage, wenn es dir wichtig ist. Und wir kommen zurück, sobald sich alles geklärt hat.“
    Die Worte waren sanft und schnitten dennoch wie ein Messer in ihr Inneres. Sie durchtrennten Schwermut und legten die darunter verborgene Furcht frei. Wie sollte sich eine derartige Bedrohung klären? Ein Schauder prasselte wie Hagelkörner über Joanas Rücken. Sie registrierte, dass Nicholas fragend den Kopf schief legte.
    „Jo, was hast du?“
    „Nichts. Es ist schon gut.“ Nichts war gut. Diese Jagd war die Konsequenz seiner Liebe zu ihr. Weil er sie liebte, hatte
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