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Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst
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hatte kurzes rotbraunes Haar, das sie als einen asymmetrischen Bob trug, der die scharf geschnittenen Züge ihres langen, schmalen Gesichts betonte. Sie hatte kleine, haselnussbraune Augen und einen beinahe beunruhigend stechenden, um nicht zu sagen einschüchternden Blick, garantiert hilfreich für eine ehrgeizige Anwältin einer angesehenen Kanzlei in der Innenstadt. Vicki war kleiner als Barbara, größer als Chris und mit knapp achtundvierzig Kilo die Schlankste unserer Gruppe. Ihr feingliedriger Körper ließ sie sogar trügerisch zerbrechlich wirken, doch sie verfügte über versteckte Kraftreserven und schier grenzenlose Energie. Selbst wenn sie wie in dem Film still saß, sah es aus, als wäre sie immerzu in Bewegung, als würde ihr Körper wie eine Stimmgabel vibrieren.
    Ihre Tochter Kirsten war im Alter von nur zweiundzwanzig Monaten schon ein Klon ihrer Mutter. Sie hatte die gleiche zarte Statur und die klaren haselnussbraunen Augen ihrer Mutter, konnte auf die gleiche Art an einem vorbeigucken, wenn man mit ihr sprach, als könnte hinter einem etwas Interessanteres, Faszinierenderes,
Wichtigeres
passieren, das sie auf gar keinen Fall verpassen durfte. Die Kleine war ständig auf den Beinen, tapste hierhin und dorthin und forderte laut krähend die Aufmerksamkeit und Anerkennung ihrer Mutter ein. Vicki tätschelte hin und wieder abwesend ihren Hinterkopf, ohne dass ihre Blicke sich wirklich trafen. Vielleicht war das Kind wie wir alle anfangs geblendet von dem riesigen Diamantring am Mittelfinger von Vickis linker Hand. Selbst auf dem Film scheint er für einen Moment alle anderen Bilder zu überstrahlen, sodass der Bildschirm gespenstisch weiß wird.
    Vicki war mit einem gut fünfundzwanzig Jahre älteren Mann verheiratet, den sie seit ihrer Kindheit kannte. Sie war sogar mit seinem ältesten Sohn zur High-School gegangen, und zwischen den beiden hatte sich eine schüchterne Romanze entwickelt, die natürlich jäh endete, als Vicki beschlossen hatte, den Vater attraktiver zu finden. Der folgende Skandal hatte die Familie zerrissen. »Eine glückliche Ehe kann man nicht zerstören«, zitierte Vicki an jenem Nachmittag einen Satz aus Elizabeth Taylors Lebenslauf, und wir anderen Frauen nickten einmütig, obwohl wir unseren Schock nicht völlig verbergen konnten.
    Vicki schockierte gern, wie die Frauen schnell merkten und heimlich genießen lernten. Denn bei all ihren Fehlern, und das waren nicht wenige, war Vicki in der Regel unbedingt unterhaltsam. Sie war der Funken, der die Flamme entzündete, ihre Anwesenheit war das Zeichen, dass die Party offiziell beginnen konnte, sie brachte alles in Bewegung und zur Not auch durcheinander; sie war die Frau, über die jeder tratschte und gackerte. Und auch wenn sie den Ball nicht unbedingt ins Rollen brachte – das tat überraschenderweise häufig die unscheinbarere Susan –, war Vicki diejenige, die ihn am Laufen hielt und dafür sorgte, dass ihr Team gewann. Denn Vicki spielte immer, um zu gewinnen.
    Neben Vicki mit ihrer angespannten Intensität wirkt Susan, die Hände entspannt im Schoß gefaltet, hellbraunes, kinnlanges Haar mit adretter Innenrolle, beinahe wie ein schüchternes Mädchen, wenn man von der Tatsache absieht, dass sie noch gut zehn der dreißig Pfund mit sich herumschleppte, die sie während ihrer Schwangerschaft mit Ariel zugelegt hatte. Das Übergewicht machte sie sichtlich verlegen und kamerascheu, wenngleich sie sich am Bühnenrand schon immer wohler gefühlt hatte als in der Mitte. Die anderen Frauen machten ihr Mut und berichteten von ihren Diäten und Fitnessbemühungen, und Susan hörte zu, nicht aus Höflichkeit, sondern weil sie schon immer lieber zugehört als geredet hatte, ihr Verstand war wie ein Schwamm, der jede Kleinigkeit aufsog. Später notierte sie die Vorschläge in dem Tagebuch, das sie seit Ariels Geburt führte. Auf Drängen der anderen gab sie zu, dass sie einmal davon geträumt hatte, Schriftstellerin zu werden, und Vicki meinte, sie solle mit ihrem Mann reden, der eine Reihe von Zeitschriften besaß und sein Imperium weiter ausbauen wolle.
    Susan lächelte, während ihre Tochter fröhlich mit ihren nackten Zehen spielte und sie an den Füßen kitzelte, und wechselte das Thema, weil sie lieber über ihre Seminare an der Uni sprach. Die waren greifbarer als irgendwelche Träume, und Susan war ein durch und durch praktischer Mensch. Sie hatte ihr Studium nach der Heirat aufgegeben und ihren Mann bei seinem Medizinstudium
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