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Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst
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sich ein. Sie stellte sich direkt unter den Strahl, sodass er ihr Haar in der Mitte teilte, bevor er sich über ihr Gesicht ergoss.
    Hatten die Kinder sie streiten hören? Sie hörte über dem Rauschen des Wassers das entfernte Echo der Stimmen ihrer sich anschreienden Eltern, das drei Jahrzehnte später immer noch so laut und mächtig klang wie eh und je. Chris erinnerte sich, wie sie in ihrem Bett gelegen und gelauscht hatte, wenn ihre Eltern unten gestritten hatten. Ihre wütenden Worte waren ungeduldig im Flur gekreist und hatten an die Wände ihres Zimmers geklopft, als wollten sie sie unbedingt einbeziehen, bis sie schließlich durch die Bodenritzen in die Luft eingedrungen waren, die sie atmete. Sie hatte sich ihr kleines Kissen aufs Gesicht gedrückt, um das Gift nicht einzuatmen, hatte sich mit zitternden Händen die Ohren zugehalten und versucht, die hässlichen Geräusche zu dämpfen. Einmal war sie sogar aus dem Bett gekrabbelt und hatte sich in der hintersten Ecke des Kleiderschranks verkrochen, doch die Stimmen waren immer lauter geworden, bis sie das Gefühl hatte, dass jemand mit ihr im Schrank war. Als unsichtbare Finger von den Säumen der über ihr hängenden Kleider nach ihr tasteten und fremde Zungen ihre Wangen ableckten, war sie weinend zurück in ihr Bett gelaufen, hatte die Decke bis unters Kinn gezogen, die Arme fest an den Körper gepresst, die Augen zugekniffen und war bis zum Morgen so liegen geblieben.
    Hatte sie vergangene Nacht nicht im Grunde dasselbe getan?
    War sie kein bisschen erwachsen geworden?
    Chris drehte das Wasser ab, trat aus der Dusche und wickelte ein weiches, blau-weiß gestreiftes Handtuch um ihren Kopf und ein zweites um ihren Körper, dankbar dafür, dass sie sich im beschlagenen Spiegel nur schemenhaft erkennen konnte. Sie öffnete die Badezimmertür und spürte die kalte Umarmung der Luft. Wie bin ich nur hier gelandet, fragte sie sich, als sie ins Schlafzimmer zurückschlurfte, mitten im Albtraum meiner Eltern.
    »Hallo Schatz«, sagte Tony leise.
    Chris nickte wortlos und blickte weiter zu Boden, während ihre Nase den Geruch frisch zubereiteter Pfannkuchen witterte.
    »Ich habe dir Frühstück ans Bett gebracht«, sagte er.
    Chris ließ sich aufs Bett sinken und lehnte sich gegen die Kissen, während wie von Zauberhand ein Tablett mit einem Teller voll Blaubeerpfannkuchen, einem Glas frisch gepressten Orangensafts und einer Kanne wunderbar duftenden Kaffees vor ihr auftauchte. Neben einer Butterdose aus Edelstahl standen ein kleiner weißer Keramikkrug mit echtem Ahornsirup und eine kleine gläserne Stielvase mit einer roten Butterblume aus Plastik. »Das musstest du doch nicht«, sagte Chris leise, den Blick weiterhin abgewandt. Das habe ich nicht verdient, dachte sie.
    Tony saß am Fuß des Bettes. Sie spürte, wie er sie beobachtete, während sie ihre Pfannkuchen mit Butter bestrich und mit warmem Sirup beträufelte, bevor sie vorsichtig erst eine, dann eine weitere Gabel voll zum Mund führte. Paradoxerweise wurde sie mit jedem Bissen hungriger und mit jedem Schluck, den sie trank, durstiger. Binnen Minuten waren die Pfannkuchen verputzt, das Saftglas war leer und der Kaffee ausgetrunken. »Gut?«, fragte Tony erwartungsvoll, und sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören.
    »Wundervoll«, antwortete sie, entschlossen, ihn nicht anzusehen, weil sie wusste, dass das Spiel dann vorüber war.
    »Es tut mir so Leid, Chris.«
    »Nicht.«
    »Du weißt, dass ich es nicht so gemeint habe.«
    »Bitte...«
    »Du weißt, wie sehr ich dich liebe.«
    Chris spürte, wie ihr Tränen in die Augen schossen, und hasste sich dafür. »Bitte, Tony...«
    »Willst du mich nicht mal ansehen? Hasst du mich so sehr, dass du meinen Anblick nicht ertragen kannst?«
    »Ich hasse dich nicht.« Chris hob kurz den Blick und verschlang ihren Mann mit den Augen.
    Auch wenn man Tony nie als attraktiv bezeichnet hätte wie Barbaras Mann oder vornehm wie Vickis, nicht einmal gütig, das erste Wort, was einem in den Sinn kam, wenn man Susans Mann beschreiben sollte, gab es, wenn man sich erst einmal in seinem Blick verloren hatte, kein Zurück mehr. Ein Mann voller Geheimnisse, hatte Barbara verkündet; eine beeindruckende Persönlichkeit, hatte Susan vorgeschlagen; sexy, hatte Vicki knapp zusammengefasst. Ein Rohdiamant, waren sie sich alle einig gewesen.
    Mehr roh als glitzernd, dachte Chris jetzt, während sie beobachtete, wie ihr Mann Zentimeter für Zentimeter auf dem Bett nach oben
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