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Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst
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»Ja«, antworte ich leise. »Das ist genug.«
    Ana wischt sich eine Träne von der Backe und setzt sich wieder. »Erzählen Sie mir von diesen zwei Jahren. Hat sie sehr gelitten? War sie allein?«
    »Sie musste nicht allzu sehr leiden«, erkläre ich Ana wahrheitsgemäß. »Sie hatte großartige Ärzte, die dafür gesorgt haben, dass sie so wenig Schmerzen wie möglich hatte. Und sie war auch nicht allein. Ihre Freundin Donna war bei ihr.«
    »Donna war die Frau, mit der sie zusammengelebt hat?«
    »Sie hat sie kennen gelernt, als sie für Emily Hallendale gearbeitet hat. Donna ist eine wunderbare Frau. Ich glaube, du würdest sie mögen.«
    »Haben Sie Ihre Telefonnummer?«
    Ich nicke. »In der Küche. Ich hole sie für dich.«
    »Danke.«
    Es dauert eine Weile, bis ich Donnas Nummer gefunden habe. Meine Küchenschublade ist ein einziges Chaos aus losen Zetteln und alten Zeitungsausschnitten. Natürlich gibt es auch ein Adressbuch, aber das ist hoffnungslos veraltet, weil ich seit Jahren nichts mehr hineingeschrieben habe. Also muss ich jeden aufgerissenen Umschlag und jede Adressenänderungspostkarte durchgehen, bis ich Donnas aktuelle Adresse und Telefonnummer gefunden habe, die erstaunlicherweise ganz oben auf dem Stapel liegt, wo ich sie beim ersten Durchgang übersehen habe. Ich nehme den Zettel und gehe zurück ins Wohnzimmer.
    Ana ist nicht da.
    Ich stürze panisch zur Haustür. Ist sie gegangen? Vielleicht erwische ich sie noch...
    Und dann höre ich sie leise weinen und folge dem Geräusch, weil ich weiß, wo ich sie finden werde.
    Sie steht in der Tür meines renovierten Arbeitszimmers, das jetzt ein Medienraum mit Computern, einer Stereoanlage, CD-Spielern, diversen Lautsprechern und einem riesigen Fernsehbildschirm ist. Sie starrt auf ihre Mutter, die auf dem Film nur wenig älter ist als Ana jetzt. Ich schleiche mich in den Raum, drücke die Starttaste des Videorecorders und mache einen Schritt zurück, während die Frauen auf dem Bildschirm zum Leben erwachen. Die Kamera schwenkt ruckartig von Chris über Barbara zu Vicki. Dann nimmt Barbaras Gesicht den Monitor ein, während sie die Kamera nimmt und in meine Richtung schwenkt, bevor sie zu Chris zurückkehrt, die sich bemüht, eine widerspenstige Montana auf ihrem Schoß zu halten.
    Ana beobachtet, wie die kleine Montana wütend gegen die Knöchel ihrer Mutter tritt, bevor sie von ihrem Schoß rutscht, das Gesicht tränenüberströmt wie Anas jetzt. Chris streckt die Arme aus und wartet geduldig, dass ihre Tochter zurückkommt, doch Montana weist ihr Flehen zurück und bleibt stur am Rand des Bildes. »Komm, meine Kleine«, gurrt Chris. »Sei ein braves Mädchen. Komm zu Mami.«
    »Oh«, schluchzt Ana, und die Silbe dringt über ihre Lippen wie der Seufzer einer Geliebten. Sie hebt die Arme, als würden sie von unsichtbaren Fäden gezogen, schwankt und bewegt sich auf den Bildschirm zu. Instinktiv greife ich nach der Fernbedienung und halte das Bild an, während Montana in die ausgebreiteten Arme ihrer Mutter sinken will.
    Sie hat so lange darauf gewartet, denke ich, trete leise näher, nehme Chris' Stelle ein und ziehe ihre Tochter an mich... Ich spüre, wie Anas Beine nachgeben und sie sich an mich klammert. Beide umarmen wir eine Erinnerung, weinen gemeinsam und finden unerwarteten Trost aneinander.
    Wenn das Leben die Summe der Entscheidungen ist, die wir treffen, wie meine Mutter mir einmal erklärt hat, dann verbringen wir zu viel Zeit unseres Lebens damit, diese Entscheidungen zu betrauern. Zu viel Zeit wird mit Bedauern verschwendet. Dabei können wir die Vergangenheit nur zur Kenntnis nehmen und akzeptieren. Sie ist vorbei und vorüber.
    Doch auch wenn ich nicht mehr die junge Frau bin, die ich auf meinem riesigen Fernsehbildschirm mit ihren Freundinnen lachen sehe, weiß ich, dass sie nicht ganz verschwunden, sondern noch immer ein Teil von mir ist. Manchmal zwinkert sie mich aus müden Augen an, wenn ich in den Spiegel sehe. Manchmal spüre ich, wie sie meine Schultern strafft, wenn ich sie lieber hängen lassen würde. Sie führt meine Finger, wenn ich schreibe, und wählt die Worte, die ich spreche. Sie ist die Stimme meiner Jugend, all dessen, was meinem Herzen lieb und teuer ist, und sie flüstert mir immer noch ins Ohr.
    Sie ist meine Freundin.
    Wer sagt, dass das Leben einen Sinn ergeben muss? Dass es uns Erklärungen schuldet? Vielleicht gibt es so etwas wie Gerechtigkeit nicht. Vielleicht wird es nie Frieden oder auch nur eine
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