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Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst
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auf und fächerte sich mit der Hand Luft zu. »Wir standen uns so nahe, dass es manchmal beinahe so war, als wären wir dieselbe Person. So als würde ich nicht existieren, wenn sie nicht da war. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Vicki nickte, obwohl sie in Wahrheit keine Ahnung hatte, wovon Tracey redete.
    »Es war so toll, als mein Dad uns verlassen hat und wir nur noch zu zweit waren. Wir waren immer zusammen. Doch dann hat sie Howard getroffen, und alles ist anders geworden. Plötzlich hatte sie dieses neue andere Leben, und ich war bloß... ich weiß nicht... ich war nichts. Es war, als würde ich nicht mehr existieren, als ob sie meinen Atem gestohlen hätte. Und ich konnte ihn und mein Leben nur zurückbekommen, indem ich sie getötet habe. Verstehen Sie das? Ich wollte ihr nicht wehtun. Ich wollte bloß mein eigenes Leben zurück.«
    In Vickis Kopf drehte sich alles. Ergab irgendetwas von dem, was Tracey gerade gesagt hatte, irgendeinen Sinn. »Und jetzt?«, fragte sie, und ihre Worte prallten gegen ihren Schädel. Wie der Schläger, mit dem Tracey auf den Kopf ihrer Mutter eingeschlagen hat, dachte Vicki und schloss die Augen. »Du empfindest nichts? Keine Schuld? Kein Bedauern?«
    Es entstand eine lange Pause. »Ich fühle mich erleichtert.«
    Oh Gott.
    Ein Schlüssel drehte sich im Schloss der Haustür. »Hallo«, rief Jeremy kurz darauf. »Irgendjemand zu Hause?«
    »Hier.« Vicki versuchte gar nicht erst aufzustehen, weil sie wusste, dass sie das sowieso nicht schaffen würde.
    Tracey lächelte. »Ich sollte jetzt wirklich gehen. Sonst macht mein Dad sich noch Sorgen. Ich finde selbst hinaus. Nochmal vielen Dank für alles«, rief sie schon aus dem Flur. Und dann: »Hallo, Mr. Latimer. Wie geht es Ihnen?«
    Stets ganz die höfliche, junge Dame, dachte Vicki, während die Standuhr in ihrem Rücken die Minuten heruntertickte. Vicki stellte sich vor, wie ihr Vater in seinem Bett saß und an die Wände des Pflegeheims starrte. Verbringt er so seine Nächte, fragte sie sich. Zählt er die Minuten bis zum Morgen und betet, dass die Bewusstlosigkeit ihn übermannt?
    »Vicki?«, hörte sie ihren Mann sagen. Seine Stimme schien von sehr weit weg zu kommen, obwohl er direkt vor ihr stand. »Alles in Ordnung, Vicki?«
    Vicki blinzelte, nickte müde und dachte, er sieht so alt aus.
    »Tracey macht ja einen sehr glücklichen Eindruck.«
    »Nun, wir wollen schließlich nicht, dass Tracey unglücklich ist.« Vicki hielt die leere Weinflasche hoch. »Ich habe gefeiert. Warum holst du nicht noch eine Flasche aus dem Keller und setzt dich zu mir?«
    Jeremy lächelte traurig. »Ich weiß nicht, ob mir heute Abend nach Feiern zu Mute ist, Darling.«
    Oh Gott, er auch, dachte Vicki. Was für ein Problem hatte
er
nun?
    »Ich hatte heute Abend ein sehr interessantes Treffen.«
    Vicki sah ihn fragend an. Warum redete er von seinen Treffen?
    »Mit Michael Rose.«
    Oh Gott. Vicki hatte das Gefühl, ihr Magen würde bis zum Fußboden sacken. »Du hast dich mit Michael getroffen? Warum?«
    »Glaub mir, es war nicht meine Idee. Er ist in meinem Büro aufgetaucht, hat mich überfallen, als ich gerade gehen wollte, und mir ziemlich die Ohren voll geblasen.«
    »Nun, ich hoffe, dass du nichts von dem, was er zu sagen hatte, ernst genommen hast. Er ist bloß wütend und wahrscheinlich betrunken.«
    »Wahrscheinlich. Er klang trotzdem ziemlich überzeugend.«
    Vicki starrte in die verletzten und wissenden Augen ihres Mannes. Konnte sie ihn wirklich noch weiter beleidigen, indem sie ihn von Angesicht zu Angesicht über ihre Affäre belog? Hatte sie den Menschen, die sie liebte, nicht schon genug wehgetan? »Es hatte nichts zu bedeuten«, räumte sie ein und wurde sehr viel schneller wieder nüchtern, als ihr lieb war.
    »Was dann?«
    »Wie?«
    »Ich fange nur an, mich zu fragen, was überhaupt etwas zu bedeuten hat, Darling.«
    Wird er mich verlassen, fragte Vicki sich und dachte, dass sie ein Leben lang von den Menschen verlassen worden war. Sie konnte zweifellos ihre Aufmerksamkeit gewinnen, aber alle theatralischen Anstrengungen reichten nicht aus, sie zu halten.
    »Wie dem auch sei, Darling, es war ein langer Tag, und ich bin müde. Ich gehe ins Bett.« Jeremy machte eine Pause. »Kommst du?«
    »Gleich«, sagte Vicki dankbar. »Ich komme gleich nach.«
    Sie lehnte sich an die steife Rückenlehne des antiken Esszimmerstuhls und lauschte dösend der Standuhr in ihrem Rücken, die tickend die Minuten bis zum Morgen zählte.

Epilog
    Fast
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