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Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst
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sie sich selbst je vergeben würde, hing stark von dem Urteil ab.
    Der Sprecher der Jury sah den Richter direkt an. »Wir befinden die Angeklagte für...«
    Er wirkt so ernst, dachte Vicki. Und er sieht Tracey nicht an. Keiner der Geschworenen sah sie an, was kein gutes Zeichen war. Tut mir Leid, Tracey, entschuldigte sie sich stumm. Tut mir Leid, Barbara. Bitte verzeih mir.
    »...nicht schuldig.«
    »Oh mein Gott«, flüsterte Vicki und spürte, wie ihre Knie nachgaben.
    »Oh mein Gott«, quiekte Tracey, und danach brach im Gerichtssaal die Hölle aus. »Oh mein Gott. Oh mein Gott.« Sie warf sich in die Arme der ungläubig starrenden Vicki. »Danke. Vielen herzlichen Dank.«
    Und dann explodierten tausend Lichter in Vickis Augen, Kameras klickten, Reporter hielten ihr Mikrofone vors Gesicht, wedelten mit ihren Notizblöcken und Bleistiften. Von überall riefen Zuschauer ihr Glückwünsche zu, während Michael Rose wütend an ihr vorbeidrängte und das Wort
Miststück
murmelte, das wie Säure von seiner Zunge tropfte und ihre Seele versengte.
Mieser Verlierer,
hätte sie ihm beinahe nachgerufen, doch stattdessen lachte sie, weil sie wusste, dass ihn das noch mehr treffen würde. Sie beobachtete, wie Ron auf seine Tochter zutrat und sie vorsichtig umarmte, während seine junge Frau sich mit einem Ausdruck des Unbehagens auf ihrem faltenlosen Gesicht ein wenig abseits hielt. Tracey bedankte sich bei allen Geschworenen. »Viel Glück, Liebes«, hörte Vicki mehrere von ihnen murmeln.
    »Danke«, wiederholte Tracey immer wieder, so überzeugend, wie sie auch im Zeugenstand gewirkt hatte. »Vielen, vielen Dank.«
    Es dauerte über eine Stunde, bis Vicki den Vertretern der diversen Medien entkommen und in ihr Büro zurückgekehrt war, wo ihre Partner und Kollegen sie mit spontanem Applaus empfingen.
    »Bravo!«, zwitscherte ihre Sekretärin und stand hinter ihrem Schreibtisch auf, um sie mit einer Umarmung zu beglückwünschen.
    Vicki fand das ganze Theater beunruhigend. Vielleicht war sie bloß müde, jedenfalls definitiv missmutig, was seltsam war, weil ein Sieg sie normalerweise in Hochstimmung versetzte. Vor allem nach einem Sieg dieser Größenordnung, dem unbestritten strahlendsten Triumph ihrer Karriere. Doch angesichts der aufgeregten Menschenmenge vor ihrem Büro brachte sie nicht viel mehr als ein gedämpftes Danke heraus.
    »Ihr Mann hat angerufen und lässt Glückwünsche ausrichten«, sagte ihre Sekretärin, nachdem alle gegangen waren. »Er sagt, er würde in einer Sitzung festgehalten, sie aber später auf jeden Fall noch sehen.«
    Vicki nickte und tat so, als würde sie sich ein paar Haare aus der Stirn streichen, um die Enttäuschung zu kaschieren, die sich in ihre Augen schlich. Sie würde doch nicht etwa weinen! Mein Gott, sie musste wirklich müde sein! Trotzdem wäre es nett gewesen, ihren Erfolg mit einem anderen Menschen als ihrer Sekretärin zu teilen. Wenn nicht mit Jeremy, dann mit Susan oder Chris. Oder Barbara, dachte Vicki, als sie ihr Büro betrat, sich auf den riesigen Stuhl hinter ihrem Schreibtisch fallen ließ und sich zum ersten Mal seit Monaten Erinnerungen an die Person hinter dem Namen, Gedanken an ihre ermordete Freundin erlaubte. Bilder von Barbara flimmerten vor ihren Augen. Sie trägt noch immer diese Zehnzentimeterabsätze, dachte Vicki lächelnd. »Ich weiß, dass du es verstehst«, flüsterte sie in ihre Hände, und Tränen kullerten über ihre Wangen bis zu ihren Mundwinkeln. Und dann klingelten plötzlich alle Telefone auf einmal.
    »Sind Sie da?«, rief ihre Sekretärin.
    »Nein«, gab Vicki zurück und wischte sich ungeduldig die Tränen ab. »Ich rufe zurück.«
    »Was ist los?«, fragte eine Stimme von der Tür. »Nicht in Feierlaune?«
    Vicki musste nicht aufblicken, um zu wissen, wer es war. »Susan«, sagte sie matt wie ein platter Reifen. »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Ich habe die Nachricht im Radio gehört und auf gut Glück versucht, dich hier zu erwischen.«
    »Ich nehme an, du bist nicht gekommen, um mir zu gratulieren.«
    »Im Gegenteil. Du warst brillant wie üblich. Es schafft schließlich nicht jeder, an die niedersten Instinkte der Geschworenen zu appellieren und dabei auch noch edelmütig zu klingen.«
    »Du denkst, dass ich das getan habe?«
    »Wie würdest du es denn nennen?«
    »Die Wahrheit«, erwiderte Vicki schlicht.
    »Die Wahrheit?« Susan schüttelte verwundert den Kopf. »Die Wahrheit ist, dass in jener Nacht zwischen Chris und Barbara nichts
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