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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes
Autoren: Erwin Koch
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Frau, keine Tochter. Ganz einfach. Er wollte nichts hinterlassen, keine Fährte, keine Spur. Deshalb, glaube ich, verbot er uns seinen Lebenslauf.›
    ‹Da waren gestern am Grab auch Polizisten in Zivil›, sagte Dagmar. ‹Gut, Anna, dass Sie erst heute kamen oder gestern Abend.›
    ‹Einmal sagte er: Es gab nie einen Menschen, in den ich so vollkommen verliebt war wie in meine Tochter. Bedingungslos und vollkommen.›
    ‹Er war sehr enttäuscht von mir?›, fragte Anna.
    ‹Paul war enttäuscht von sich. Weil er es nicht schaffte, Sie zu lieben, wie er Sie einst geliebt hatte.›
    Albert spricht von sich -
    ‹Es ist fünf nach zehn›, sagte Dagmar.
    ‹Ich muss weiter›, sagte Anna Baumer und sah zum Fenster.
    ‹Ja, das müssen Sie.›
    ‹Wahrscheinlich ist es besser so›, sagte Dagmar, die neben dem Kühlschrank stand, ihre Hände in den Taschen des roten Morgenrocks.
    Albert klopfte die Karten auf den Tisch, zweimal, dreimal, jedes Mal heftiger, dann stand er auf und sagte: ‹Man findet mich im Büro. Während fünf Minuten bin ich nun im Büro. Die Predigt. In fünf Minuten, Anna, sind Sie ja noch hier.›
    Er macht sich davon, dachte Dagmar.

    Was reden mit Anna Baumer? -

    Dagmar trat ans Spülbecken, drehte den Hahn und wusch sich die Hände, trocknete die Hände mit dem Tuch, das an einer Stange hing.
    ‹Die Heiterkeit in Gott. Sein altes Thema›, sagte Dagmar und lächelte.
    Anna stand auf, nahm den Rucksack, ging zum Fenster und sah hinaus, steif stand sie am Fenster und hielt den Rucksack in der rechten Hand, sah hinaus, vom Vorhang geschützt, rechts die Grundstraße, die zum Friedhof führt, links der Lukasweg, die Treppe zum Hof.

    Vielleicht ist sie verrückt geworden -

    Endlich setzte sich Anna wieder, hielt den Rucksack, als wäre er ein Kind, umfangen mit beiden Armen.
    ‹Als Sie kamen, hatten Sie noch ein bisschen Farbe im Gesicht. Aber jetzt sind Sie nur noch weiß.›
    ‹Diese Tür›, sagte Anna und drehte den Kopf zur Tür neben dem Sofa, ‹wohin führt diese Tür?›
    ‹Ins Wohnzimmer. Wissen Sie nicht mehr? Das ist die Wohnzimmertür. Wir saßen doch oft im Wohnzimmer und spielten Karten, Sie, Simon, Albert und ich. Oder Mensch ärgere dich nicht.›
    Warum legt sie den Mantel nicht ab? -
    ‹Und von dort?›
    ‹Von wo?›
    ‹Vom Wohnzimmer?›
    ‹Vom Wohnzimmer geht es weiter in Alberts Büro. Und in unser Schlafzimmer.›
    ‹Und dort, das ist Simons Zimmer?›
    ‹Das war Simons Zimmer, als er noch hier war. Sein Bett ist noch da, auch einige seiner Bücher stehen noch drin. Er liest ja so gern und viel. Liest eigentlich alles, was ihm in die Hände fällt, sogar Nachschlagewerke, Lexika.›
    Dagmar krümmte sich zum Ofen, öffnete einen Spalt breit die Tür.

    Jetzt schneit es -
    Viertel nach zehn -

    ‹Möchten Sie sich hinlegen?›
    Keine Antwort -
    ‹Möchten Sie sich ein bisschen ausruhen? Obwohl. Sie müssen ja weiter. Zehn Minuten auf Simons Bett? Gut täte es Ihnen.›
    Anna schüttelte den Kopf.
    ‹Früher waren Sie blond. Und strähnig, nicht wahr?›
    ‹Früher›, flüsterte Anna Baumer.
    Albert Mangold trat in die Küche, die Lippen verzerrt.
    ‹Frau Baumer, es hat uns gefreut, Sie zu sehen nach all den Jahren. Ich muss nun hinüber. Sie werden nicht mehr hier sein, wenn ich zurück bin. Hat mich gefreut. Was kann ich Ihnen wünschen? Alles Gute? Ein langes Leben? Gerechtigkeit? Die Freiheit, die Sie suchen? Schön, dass Sie hier waren.›

    Mein Vater war kein Lauter.

    Was mein Vater war:
    kein Freund
    kein Offizier
    neidfrei
    treu
    zärtlich (zu mir)
    kein Küsser
    (eigentlich) kein Prediger
    zuverlässig
    stumm
    ehrgeizig
    mut- und haarlos
    weder Streber noch Giftmischer
    (wahrscheinlich) unglücklich
    mein Vater

4 Florian
    ‹Danke, Herr Mangold, dass ich reinkommen durfte›, sagte Anna.
    Albert zog einen Schal um den Hals und warf den langen blauen Mantel über, er öffnete die Tür ins Treppenhaus und zögerte, kam zurück in die Küche.
    ‹Um elf den Braten wenden. Danach jede Viertelstunde. Und Ihnen, Anna, von Herzen alles Gute.›
    Albert verließ das Haus, Grundstraße 9, die Heiterkeit in Gott auf kleinen weißen Karten.
    Paul hatte es ihm verboten, Anna je zu erzählen, wie sehr er sie liebte: Erzähl das bitte Anna nie, ich will sie nicht beladen, nicht erpressen.
    So schnell, dachte Albert, als er zur Kirche eilte, so schnell wird einer, der das Schweigen nicht erträgt, zum Schwätzer und Verräter.

    Alberts Vater, Laborchef in
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