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Nur für Schokolade

Nur für Schokolade

Titel: Nur für Schokolade
Autoren: Jaques Buval
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leichter an sein Ziel zu kommen, doch meist endet sein Weg schon an der Pforte.
    Den Pfarrer von Osieki, den er händeringend bittet, ihm bei der Suche nach einem weiblichen Wesen »zum Heiraten« zu helfen, lacht ihn nur aus, so wie alle Menschen, denen er begegnet. Wütend, daß ihm nicht einmal der Geistliche helfen will, schwört er ewige Rache. Was er auch tut, alle Versuche scheitern, es will nichts gelingen, ihm bleibt die Erfüllung des Wunsches nach einer Frau versagt.
    Einmal, er ist dreiundzwanzig Jahre alt, bekommt er ein Pornoheft in die Hände. Die Abbildung einer aufblasbaren Sexpuppe interessiert ihn besonders. Sofort eilt er zu seinem Schwager und bittet ihn, ihm eine solche Puppe zu besorgen.
    Der lacht laut auf, als Leszek ihm seinen Wunsch unterbreitet –

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    er habe doch kein Geld, um sich so etwas leisten zu können, macht ihn der Schwager aufmerksam. Und ab diesem
    Zeitpunkt gibt es nur ein Ziel für Leszek: das Geld für diese Puppe zusammenzusparen. Seine Phantasien überschlagen sich bei der Vorstellung, daß er schon bald ein Eigentum haben werde, einen Körper, mit dem er machen kann, was er will.
    Die Menschen in seiner Umgebung sind überrascht, wie
    fleißig er auf einmal wird: Er mäht Wiesen, reinigt den Nachbarhof: er tut alles, wenn es ihm nur Geld einbringt.
    Freudestrahlend geht er nach Monaten zu seinem Schwager, der schon gar nicht mehr an Leszeks großen Wunsch denkt.
    Pfennig für Pfennig hat er mühsam zusammengespart, bis er endlich den Kaufpreis für die Puppe vorlegen kann.
    Sein Schwager verspricht ihm, daß er ihm die Puppe
    besorgen werde – und verschwindet. An diesem Abend geht er in sein Stammlokal, wo man sich noch wundert, woher er das Geld hat, um all die Runden zu bezahlen. Am Ende hat er das Geld, das ihm Leszek gegeben hat, restlos verzecht. Leszek weiß dies natürlich nicht. Erst mit der Zeit, nach ständigem, ergebnislosem Nachfragen, merkt dieser, daß er von seinem Schwager nicht die Wahrheit hört. Leszek erhält die Plastik-Puppe nicht. Er muß sich selbst etwas holen.

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Das Monster kommt hervor
    »Willst du mich heiraten?«
    Am 6. Juli 1990, nach einem Jahr Arbeit, wird Leszek von der Hütte Beidon in Katowice krank entlassen. Inzwischen ist er 24
    Jahre alt, erhält eine monatliche Rente von etwa 100 Mark.
    Dies gibt ihm die Möglichkeit, durch die kleinen Nachbarorte zu vagabundieren und sonst nicht viel zu tun.
    Er wohnt bei seinem Onkel Bogdan, der ihn zwar des öfteren aus dem Hause wirft, aber doch immer wieder aufnimmt, in einer kleinen Dachkammer. Es stört ihn nicht, daß Pappe die Fensterscheiben ersetzt. Hier verbringt er seine Tage. Von den Wänden lachen ihn die schönsten Mädchen in aufreizenden Stellungen an. Er braucht diese Bilder, wenn er so allein ist in den Tagen und Nächten. Sie sind seine Welt, Körper, von denen er zwar träumt, aber doch weiß, daß er sie nie besitzen kann. Er träumt viel. Aber nicht in dieser Nacht: Er ist auf den Straßen unterwegs.
    Die Kirchenglocken haben gerade 22 Uhr geläutet. Obwohl es angenehm warm in dieser Sommernacht ist, schlendert Leszek im Rollkragenpullover und mit einer Baskenmütze bekleidet durch das scheinbar menschenleere Dorf. Nur der Linienbus, der die Einwohner von der nahen Stadt nach Hause bringt, stört die beschauliche Ruhe.
    Eine Bäuerin, Bernadetta B., steigt an der Haltestelle aus. Sie will schnell nach Hause. Sie ist müde; gerade noch hat sie den letzten Bus aus Bytow erwischt, wo sie einen Grabstein für ihre verstorbene Mutter ausgesucht hat. Die 51jährige stapft gedankenverloren geradewegs zu ihrem Haus.
    Einige hundert Meter vor ihrem Ziel bemerkt sie, daß ihr ein Mann folgt, doch sie ist viel zu sehr in Gedanken, als daß sie das beunruhigen könnte. Sie geht weiter, der Mann hinter ihr kommt immer schneller auf sie zu – immer schneller und 30
    schneller, mit einem Gang, den sie zu kennen glaubt. Er watschelt; er ist nicht groß, scheint nicht alt zu sein, doch noch erkennt sie ihn nicht. Den Gang allerdings scheint sie zu kennen. Ist das nicht …
    »Willst du mich heiraten?«
    Die Bäuerin weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll.
    »Was soll ich dich, heiraten?« Sie traut sich nicht, den gedachten Satz zu beenden. Zu verrückt erscheint ihr die Frage.
    Das Gesicht des Angreifers kann sie noch nicht sehen. Er hat seine Baskenmütze tief in die Stirn gezogen, den Rollkragen hochgeschlagen, offensichtlich, um nicht erkannt zu werden. Er steht
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