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Nur für Schokolade

Nur für Schokolade

Titel: Nur für Schokolade
Autoren: Jaques Buval
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dieser, Mitleid zu erwecken: er war ein ungeliebtes, unerwünschtes Kind. Seine Mutter wurde vergewaltigt. Er ist das Produkt dieser entsetzlichen Tat. Dennoch: er ist ein lieber Junge geblieben, behauptet er. Er wird in den Himmel kommen, sagt er heute noch – wieder und wieder. Er habe nie etwas Böses getan. Die Realität sieht anders aus. Aus dem unerwünschten Kind wurde ein Mörder. Ein Sexualverbrecher, der in seiner Bestialität kaum Grenzen kannte. Der ganz Polen erschütterte, Trauer und ungläubiges Entsetzen über das Land brachte. Der wohl größte lebende Massenmörder der Welt, einem Alptraum entwachsen, rächte sich über zehn Jahre an einer Gesellschaft, die für ihn nichts übrig hatte. Er holte sich, was ihm verwehrt wurde, tötete, was ihn verspottet hatte. Raubte, was er nie besaß. Als er von diesem Buch erfährt, ist Leszek Pekalski begeistert: am 12. November 1996 notiert er seine persönliche Einleitung dazu.

    Damals, als meine Oma meine kleinen Hände auf die heiße Herdplatte legte, wußte ich, daß mein Leben schwierig und kaputt sein wird.
    Pekalski Leszek 12.11.1996

    6

Vorwort
    Irgendwann, diagnostiziert der Verfasser dieses Buches, muß Leszek Pekalski den unbezähmbaren Drang verspürt haben, sich für die Qualen und Demütigungen zu rächen, die ihm von Kindheit an widerfahren sind – eine sicher oft richtige, grund-sätzlich jedoch auch geläufige und zuweilen etwas wohlfeile Erklärung für die schlimme Tatsache, daß da einer wahl- und ziellos im ganzen Lande, in diesem Falle in Polen, zu morden beginnt.
    In diesem Fall allerdings stößt man gleich auf einer der ersten Seiten auf wenigstens eine plausible Begründung: Leszek wuchs nicht nur mit allen Nachteilen und Hemmnissen eines unehelichen Kindes auf, sondern er war, was jeder in seinem beschränkten Umfeld wußte, das Ergebnis einer
    brutalen Vergewaltigung seiner Mutter als halbes Kind. Noch einleuchtender aber, gleichermaßen noch plastischer und unmenschlicher, sind die in einer seltsam akribischen Schrift verfaßten und dem Autor übergebenen Aussagen des Jungen Leszek selber, warum er vor inzwischen 15 Jahren derart schauerlich aus dem Ruder lief: »Als meine Oma meine
    kleinen Hände auf die heiße Herdplatte legte, wenn ich bestraft werden sollte, da wußte ich schon, daß mein Leben schwierig und kaputt sein wird!«
    1982 war es, registriert man, wenn man den Schauder über diese Barbarei verkraftet hat, und die Polen merkten nicht, was um sie herum, landauf und landab, geschah, weil sie alle Hände voll damit zu tun hatten, mit ihrer Gewerkschaft Solidarnosc 1982 gegen das verhängte Kriegsrecht und für die Demo-kratisierung des Landes zu kämpfen. Buchstäblich erst ein Jahrzehnt später dämmerte es ein paar Kriminalisten, daß da anscheinend ein Massenmörder unterwegs war – und selbst dann dauerte es noch mehrere Jahre, bis 1996 der Sensations-prozeß gegen den mühsam eingekreisten, verhafteten und nach 7
    dem Abschluß der Ermittlungen angeblich überführten Täter Pekalski beginnen konnte.
    Zwanzig Fälle, die im Anschluß daran verhandelt wurden?
    Dreißig, vierzig, fünfzig? Hundert Opfer, über deren
    gewaltsamen Tod dort in Slupsk, der historischen ehemaligen Hansestadt Stolp in Pommern, zu Gericht gesessen wurde, gar zweihundert und noch mehr? Die Auskunft überrascht:
    verbindlich beantworten – und daraus entwickelt sich der nach meiner Ansicht womöglich wichtigste und spannendste
    Handlungsstrang des Buches – läßt sich nicht einmal diese im Grunde einfachste und nächstliegende Frage.
    In zahlreichen spektakulären Mehrfach- und
    Massenmordverfahren der Kriminal- und Justizgeschichte sind, meistens aus Gründen einer annähernd sinnvollen
    Prozeßökonomie, Opfer unter den Tisch gefallen; in aller Regel hat schon die Staatsanwaltschaft immer wieder Fälle, bei denen die Beweissituation unsicher war, der Täter seine Schuld genügend hartnäckig bestritt oder besonders zeitraubende Verfahrenszüge ins Haus standen, gar nicht erst in den Gesamtkomplex ihrer ohnehin längst überbordenden Anklage aufgenommen. Das war bei Friedrich Haarmann so und, in jüngerer Zeit, beim berüchtigten »Würger von Boston«; das geschah, überschlägig, mutmaßlich bei mindestens der Hälfte aller sogenannten Groß- und Jahrhundertfälle.
    In einem Ausmaß wie bei Leszek Pekalski in Slupsk
    allerdings, dem in der Haft unappetitlich dick gewordenen Mann und Mörder, von dem hier die Rede ist, geschah es mit
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