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Nur ein kleiner Sommerflirt

Nur ein kleiner Sommerflirt

Titel: Nur ein kleiner Sommerflirt
Autoren: Simone Elkeles
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Flugzeug besetzt ist, kommen mir die ekligen kleinen Fische in den Sinn. Es wundert mich, wie viele Menschen sich hier reinzwängen, um in ein Land zu fliegen, für das für amerikanische Staatsbürger Reisewarnung besteht.
    Als wir wieder in der Luft sind, drücke ich auf den kleinen Knopf an meinem Sitz, weil ich langsam müde werde.
    Erst jetzt geht mir auf, dass die Lehnen in der hintersten Reihe sich nicht zurückstellen lassen. Okay, das ist jetzt nicht witzig. Das hier ist nicht einfach ein kurzer Trip nach Orlando, das ist ein dicker, fetter zwölfstündiger Flug in ein Land, in das ich erstens nicht wollte, um eine kranke Großmutter kennenzulernen, von deren Existenz ich erstens nichts geahnt habe. (Das sind schon zwei Erstens’, ich weiß, aber in diesem Moment gibt es in meinem Leben nichts Nerviges, das an zweiter Stelle steht … es nimmt alles den ersten Platz ein.)
    Als ich zum fünften Mal mit wachsender Verzweiflung versuche, den Sitz wenigstens ein kleines Stück nach hinten zu stellen, und der Passagier in der Reihe vor mir seinen so weit zurückkippt, dass ich gar nicht mehr weiß, wohin mit meinen Beinen, bekomme ich so ein Gefühl in der Magengrube, als müsste ich gleich losheulen. Ich kann nichts dagegen tun. Ich hasse dieses Flugzeug, ich hasse Mom dafür, dass sie mich zu dieser bescheuerten Reise gezwungen hat, und ich hasse Ron für so ungefähr alles andere.
    Nach ein paar Stunden stehe ich auf, um auf die Toilette zu gehen – diesmal muss ich wirklich. Leider haben vor mir schon mindestens hundert andere Leute das Klo benutzt und der Boden liegt voller Papierfetzen. Und schlimmer noch: Überall sind Tröpfchen. Pipi oder Wasser?, fragt man sich. So etwas sind meine Dansko-Clogs nicht gewöhnt.
    Ich gehe zurück zu meinem Platz, und zu meiner Verwunderung gelingt es mir, schließlich doch noch eine halbwegs gemütliche, wenn auch aufrechte Schlafhaltung zu finden. Jetzt ein bisschen zu dösen, wäre ein Segen. Der Pilot schaltet alle Lichter aus und ich schließe die Augen.
    Abrupt reißt mich ein klagender Schrei aus dem Land der Träume. Direkt über mir, praktisch mehr oder minder in meinem Gesicht, befindet sich ein orthodoxer Jude. So einer mit schwarzem Hut und Mantel, Bart und langen Schläfenlocken, die ihm übers Gesicht und den Hals hängen. Jessica (die Jüdin ist) hat mir erzählt, sie wären ultra-ultrareligiös – und würden versuchen, alle der rund sechshundert von Gott aufgestellten Regeln zu befolgen. Mir langt es schon, wenn ich die Regeln meiner Mom einhalten muss, da würden mir sechshundert weitere von Gott gerade noch fehlen.
    Es dauert ein bisschen, bis mir klar wird, dass er betet. Aber nicht etwa auf seinem Platz, sondern direkt über meinem. Er wippt mit geschlossenen Augen auf und ab und sein Gesichtsausdruck verrät volle Konzentration. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, merke ich, dass sich alle orthodoxen Juden hinten im Flugzeug zum Gebet versammelt haben.
    Obwohl – es klingt überhaupt nicht nach Beten, sondern eher wie ein Singsang vermischt mit Gemurmel. Vielleicht beten sie ja doch nicht. Aber dann spricht einer von ihnen – wahrscheinlich eine Art Anführer – ein paar Worte in normaler Lautstärke und alle antworten ihm und fahren danach mit ihrem Murmelgesang fort. Sie beten also doch.
    Müssen sie das alle gleichzeitig machen?
    Was sind das für Riemen auf ihren Handrücken und Armen? Und was hat es mit diesem Kästchen auf sich, das sie an ihrer Stirn befestigt haben?
    Nun, da ich sie aufmerksamer betrachte, verspüre ich so etwas wie Bewunderung für die Hingabe, mit der diese Männer ihre Religion ausüben und die sogar so weit geht, dass sie lieber beten statt schlafen. Versteht mich nicht falsch, ich finde es bewundernswert – aber machen würde ich das keinesfalls.
    Ich werfe einen Blick auf Ron, der tief und fest schläft. Er sieht gut aus, wenn man auf diesen dunklen, grüblerischen Typ Mann steht. Was ich nicht tue. Meine Mutter ist extrem hell, hat blonde Haare und grüne Augen. Wahrscheinlich fand sie damals Gegensätze anziehend, als sie und mein Dad jene schicksalhafte Nacht zusammen verbrachten.
    Ob Ron sich wohl wünscht, ich wäre nie geboren? Wäre er damals vor siebzehn Jahren im Studentenwohnheim im Zimmer seines Cousins geblieben, statt sich mit meiner Mom ins Haus ihrer Studentenverbindung zu schleichen, dann hätte er jetzt nicht ein Kind an der Backe, das ihn ablehnt.
    Plötzlich öffnet er die
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