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Nur ein einziger Kuss, Mylord?

Nur ein einziger Kuss, Mylord?

Titel: Nur ein einziger Kuss, Mylord?
Autoren: ELIZABETH ROLLS
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sanft.
    Ein stummes Kopfschütteln war die Antwort.
    Sein Blick glitt zu dem alten Schaukelpferd. Er war jünger als Nan gewesen, als Twiggs Vater es gebaut hatte … Starlight – Sternenlicht –, benannt nach der rautenförmigen Blesse auf der hölzernen Stirn. Ein Apfelschimmel, hellgrau bemalt mit dunkleren grauen Tupfen. Hier und da war die Farbe ein wenig abgestoßen; verblasst an anderen Stellen. Auch die rissigen Zügel und der abgewetzte Ledersattel legten Zeugnis von den fünf furchtlosen Reitern ab, die, ihre Holzschwerter schwingend, auf ihrem edlen Hengst Starlight so manche ruhmreiche Schlacht geschlagen hatten.
    In Gedanken versunken, strich Julian über den gebogenen Hals, erinnerte sich, wie er Lissy und Matt bei ihrem ersten Ritt im Sattel gehalten hatte. Vermutlich hatten sie es bei Emma und Davy genauso getan.
    Als er in Nans Alter gewesen war, hatte er geglaubt, Starlight sei ein richtiges Pferd, das sich tagsüber in ein Spielzeug verwandelte und nachts, wenn alle schliefen, wieder lebendig wurde. Kindliche Fantasien. Er war Starlights erster Besitzer gewesen – ob er Starlight etwas Besonderes bedeutete? Die gemalten Augen waren ausgeblichen, aber der Ausdruck in ihnen … Nein, beantwortete er sich seine Frage. Einem Wesen wie Starlight bedeuteten alle Kinder etwas Besonderes, eine gewichtslose Freude auf seinem Rücken und beflissene kleine Hände, die seine Mähne und seinen Schweif mit jedem Jahr mehr lichteten. Für ihn waren sie alle gleich.
    Er strich ein letztes Mal über den stolzen Nacken und trat einen Schritt zurück. „Ich habe ihn damals Starlight genannt“, erklärte er Nan.
    Sie hob den Blick. Stumm. „Er ist Ihrer?“, fragte sie erstaunt.
    Er dachte nach. „Nein. Nicht wirklich.“ Nicht mehr, als Amberley ihm gehörte. Vielleicht war es sogar umgekehrt. Vielleicht war er ohnehin nur ein Hüter der Dinge. Starlight hatte sich freudig in den Besitz anderer Kinder begeben. So, wie er hoffte, Amberley eines Tages an seinen Sohn weitergeben zu können.
    Julian sah sich um. Sein Blick fiel auf die geschnitzte Arche Noah, die auf einem niedrigen Tisch aufgebaut war, alle Tiere brav in Paaren aufgereiht, von Noah, seiner Frau und seinen Söhnen in die Arche geleitet. Nur der Löwe am Kopf der Prozession stand allein. Die Löwin war heruntergefallen und lag vergessen auf dem Boden.
    Er ging vor dem Tisch in die Hocke und bedeutete Nan, zu ihm zu kommen. „Sieh dir das an.“
    Das Mädchen kam zögernd an seine Seite.
    „Mit diesen Tieren hat schon unser Urgroßvater gespielt.“
    Er hörte, wie Christy vernehmlich den Atem einzog, aber seine Aufmerksamkeit galt dem Kind, das ihn verständnislos ansah.
    „Ihr Urgroßvater, Sir?“
    „Ja. Und deiner.“ Auch er holte tief Atem. „Ich kann mich noch an ihn erinnern, ganz undeutlich. Als ich klein war und er schon ein sehr alter Herr, durfte ich diese Arche nach dem Dinner oft zu ihm in die Bibliothek bringen. Er erzählte mir, dass unser Vater, deiner und meiner, auch gern damit gespielt hat.“
    Julian streckte den Arm aus und nahm Nans Hand. Das Mädchen sah ihn verwirrt an.
    Wie in aller Welt erklärte man einem Kind etwas so Kompliziertes?
    Er versuchte es. „Vor ein paar Jahren, Nan, durchlebten deine Mutter und unser Vater jeder für sich eine schwere Zeit. Sie freundeten sich an, und dann wurdest du geboren. Deine Mutter wollte, dass du bei ihr bleibst, und das war richtig und gut so, aber jetzt …“
    Er hielt inne. Nans Augen schwammen in Tränen. Unsicher, ob er das Richtige tat, legte Julian den Arm um sie und grub ein Schnupftuch aus seiner Rocktasche, um ihr die Wangen abzuwischen und sie die Nase schnäuzen zu lassen.
    „Es … es erscheint vielen Leuten falsch, was sie taten“, fuhr er fort, „weil sie nicht miteinander verheiratet waren. Aber das ist Vergangenheit, und du trägst keine Schuld daran. Und es bedeutet, dass du meine Schwester bist – meine Halbschwester, so wie Lissy und Emma. Und Davy und Matthew sind unsere Halbbrüder. Wir haben alle denselben Vater.“
    Er konnte Christy nicht ansehen, wagte es nicht. Vor ein paar Tagen hatte sie ihm gesagt, dass sie ihn liebte – und er hatte ihr die Worte regelrecht vor die Füße geworfen und das Geschenk, das sie waren, zur bloßen Ausgeburt eines flüchtigen leidenschaftlichen Taumels herabgewürdigt. Weil diese Worte ihn zu Tode erschreckt hatten und es angesichts dessen einfacher gewesen war, sie zurückzuweisen – Christy
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