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Nur ein einziger Kuss, Mylord?

Nur ein einziger Kuss, Mylord?

Titel: Nur ein einziger Kuss, Mylord?
Autoren: ELIZABETH ROLLS
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1. KAPITEL

    Julian Trentham, Viscount Braybrook, biss sich – wenn auch freilich im übertragenen Sinne des Wortes – auf die Zunge und rief sich in Erinnerung, dass Serena, seine Stiefmutter, ihn dazu angehalten hatte, im Umgang mit seiner ungebärdigen Halbschwester Feingefühl walten zu lassen. Und wenn er Lissy nun erklärte, sie klinge wie eine zweitklassige Schauspielerin in einer schlechten Tragödie, wäre das nicht sonderlich taktvoll.
    „Es ist einfach nicht gerecht , Mama!“, protestierte Alicia Trentham aufgebracht. „Julian hat gestern kaum fünf Minuten mit Harry gesprochen und …“
    „Eine halbe Stunde“, korrigierte ihr Bruder und nahm auf der Chaiselongue Platz. „Lange genug, um mich zu vergewissern, dass er bis auf seinen Posten als Sekretär von Sir John keinerlei Zukunftsaussichten hat.“ Aus dem Augenwinkel beobachtete Julian die getigerte Katze, die auf Serenas Schoß saß. Die verwünschte Kreatur schien überzeugt, dass er ihresgleichen mochte. Sie hätte sich nicht gründlicher irren können.
    „ Fünf Minuten !“, beharrte Lissy. „Und danach hast du den armen Harry für unpassend erklärt. Was immer das heißen mag.“
    „Unter anderem, dass der Bursche deinetwegen binnen eines Monats pleite wäre“, erwiderte Julian ungerührt. „Sei vernünftig, Lissy.“
    Die Katze streckte sich und fixierte ihn mit ihren schillernden grünen Augen.
    „Wäre er nicht!“ Lissy blitzte ihn an.
    „Lissy, mein Liebes“, mischte Serena sich ein, „so charmant und angenehm Mr. Daventry auch sein mag …“ Sie wollte die Katze festhalten, doch das Tier war ihr bereits vom Schoß gesprungen. „Oje. Wo war ich? Ach ja, Mr. Daventry. Ich bin sicher, er ist nicht sehr wohlhabend, daher …“
    „Was bedeutet schon Geld?“, fiel Lissy ihr ins Wort. „Und überhaupt – er hat schließlich ein Einkommen!“
    „Zweihundert im Jahr?“ Julian unterdrückte ein verächtliches Schnauben. „Und natürlich spielt Geld keine Rolle. Sofern du lernst, ohne es auszukommen. Andernfalls wirst du die Erfahrung machen, dass es ziemlich wichtig ist. Jedenfalls wenn der Gerichtsvollzieher deine Möbel beschlagnahmt und der Vermieter dich vor die Tür setzt.“
    „Harry besitzt ein eigenes Haus“, erklärte Lissy voller Genugtuung. „In Bristol. Das hat er mir selbst erzählt.“
    „Aha. Ein Mann mit Liegenschaften also.“ Julian ließ die Katze, die mit beleidigendem Selbstvertrauen auf ihn zu stolzierte, nicht aus den Augen. Seine Setterhündin Juno, die zu seinen Füßen lag, hob den Kopf, winselte klagend und senkte die Schnauze wieder auf ihre Pfoten.
    „ Ich würde Lissy nicht heiraten“, meldete sich der sechsjährige Davy aus seiner Ecke des Salons, wo er das Puzzle einer Europakarte legte. „Ich will Mama heiraten.“
    Irgendwie gelang es Julian, eine unbewegte Miene aufzusetzen. „Prima Idee, Kleiner“, erwiderte er. „Jedenfalls wenn du unbedingt im Newgate-Gefängnis landen möchtest.“
    Lissy sah aus, als hätte sie am liebsten losgekichert, wäre sie nicht so beschäftigt gewesen, tief gekränkt auszusehen.
    Die Katze sprang auf Julians Schoß und fand den Platz offenbar bequem. So bequem, dass sie, bebend vor Wohlbehagen, ihre Krallen in seine Hirschlederbreeches schlug.
    „Schon gut, Davy“, wandte sich Lady Braybrook an ihren jüngsten Sohn. „Wenn du in dem Alter bist, wirst du mich sowieso nicht mehr heiraten wollen.“
    „Natürlich nicht“, pflichtete Julian ihr bei. „Schließlich will Lissy mich ja auch nicht mehr heiraten, oder?“
    „Das wollte ich nie!“, explodierte seine Halbschwester.
    „Du hast mir einen Antrag gemacht, als du so etwa fünf warst“, erinnerte Julian sich grinsend. „Es war rührend.“ Er drehte sich zu Davy um. „Warum läufst du nicht in die Küche und lässt dir von Ellie etwas Leckeres zu essen geben?“
    Der Junge sprang auf die Füße und war aus dem Zimmer, ehe seine Mutter der vortrefflichen Idee erzieherische Einwände wie mangelnden Appetit oder Magenverstimmung entgegensetzen konnte.
    „Es ist nicht gerecht, Julian!“, brach es abermals aus Lissy hervor, kaum dass sich die Tür hinter ihrem jüngsten Bruder geschlossen hatte. „Und überhaupt – wie kommst du dazu, mir Vorschriften zu machen?“
    „Vermutlich in meiner Eigenschaft als dein Vormund“, lautete die trockene Antwort, „was Strafe genug ist. Und nun beruhige dich, Lissy. Du bist viel zu jung, um an eine Ehe zu denken.“
    „Ich werde bald achtzehn !“
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