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Nur ein einziger Kuss, Mylord?

Nur ein einziger Kuss, Mylord?

Titel: Nur ein einziger Kuss, Mylord?
Autoren: ELIZABETH ROLLS
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Farbe.
    „Und nein, ich bin keine Hexe“, informierte sie ihn.
    Julian grinste. „Das hatte ich auch nicht angenommen, nachdem Goodall seine menschliche Gestalt behielt und nicht als Kröte hier heraushüpfte.“
    Für den Bruchteil eines Moments flackerte etwas in ihren Augen auf, das Belustigung hätte sein können. Es zuckte um ihren Mund, der, wie er auf einmal bemerkte, überraschend sinnlich war. Volle rosige Lippen, die aussahen, als verstünden sie zu lächeln.
    Der Eindruck verflüchtigte sich so rasch, wie er gekommen war.
    „Das war frivol“, sagte sie in einem Ton, in dem man von einem Insekt sprechen würde. Ihr üppiger, weicher Mund wurde wieder missbilligend zu einer schmalen Linie zusammengepresst.
    „Oh, es ist Ihnen aufgefallen!“, erwiderte er und verneigte sich.
    Dieses Mal weiteten sich ihre Augen, doch sie hatte sich umgehend wieder in der Gewalt.
    Sein Interesse wuchs. Was brauchte es, um ihre Selbstbeherrschung ins Wanken zu bringen?
    „Müssen all Ihre Retter mit einer so liebenswürdigen Reaktion rechnen?“, fragte er. „Wissen Sie, es stimmt – ich bin tatsächlich mit Harry bekannt. Und was den Grund meines Hierseins angeht, so wollte ich Ihnen einen Besuch abstatten. Als ich hörte, wie Goodall mit Ihnen umsprang, sah ich mich veranlasst, einzugreifen. Aus gänzlich uneigennütziger Ritterlichkeit, Mrs. Daventry.“
    „Miss Daventry“, korrigierte sie ihn.
    Er beobachtete sie genau. „Wie das? Man teilte mir mit, hier wohne eine Mrs. Daventry.“
    Ihre Miene wurde ausdruckslos. „Nicht mehr. Meine Mutter ist vor ein paar Monaten verstorben.“
    „Das tut mir leid“, sagte er ruhig.
    „Danke, Mylord. Möchten Sie nicht Platz nehmen?“
    Sie wies auf einen abgewetzten Ohrensessel, dessen zerkratzte Lederpolsterung Zeugnis davon ablegte, dass etliche Katzen ihn allzu sehr gemocht hatten. Die einzige andere Sitzgelegenheit im Raum war ein höchst unbequem aussehender Holzstuhl, über dessen Lehne ein Umhang hing. Julian wählte den Holzstuhl und wandte sich zu ihr um, als er sie leise aufkeuchen hörte. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck von Verblüffung.
    „Was ist?“, wollte er wissen. „Haben Sie ernsthaft geglaubt, dass ich mich in den Sessel setze?“
    Sie presste die Lippen zusammen. „Meiner Erfahrung nach geben Gentlemen dem bequemen Sessel den Vorzug.“
    Seine Meinung von Harry Daventry sank um ein Erhebliches. „Dann kann es sich nicht um Gentlemen gehandelt haben, nicht wahr?“
    Sie presste die Lippen noch fester zusammen. „Aber Sie sind einer?“
    Er lachte. „In der Regel. Ich werde Sie warnen, wenn ich das Bedürfnis verspüre, mich schlecht zu benehmen.“
    „Das wäre sehr freundlich. Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?“
    Höflich und gesittet. So gleichmütig, als habe sie den Vikar zu Gast.
    Aber Tee? Er mochte Tee nicht einmal dann, wenn er höchsten Ansprüchen genügte. Und die Vorstellung, von welcher Qualität die Sorte wäre, die man ihm hier servieren würde, jagte ihm einen Schauder den Rücken hinunter. Abgesehen davon jedoch verlangten es seine guten Manieren, das Angebot anzunehmen, und Miss Daventry sah aus, als könnte sie etwas Warmes zu trinken gebrauchen.
    „Ich danke Ihnen, Madam. Das wäre sehr nett.“
    Sie nickte. „Dann entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment. Mein Hausmädchen hat Ausgang.“ Sie machte einen anmutigen Knicks und verschwand durch eine Tür im hinteren Teil des Salons.
    Julian holte tief Luft und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Aus diesem Grund war er schließlich gekommen – um sich ein genaues Bild von den Verhältnissen des jungen Mannes zu machen. Hätte Lissy sehen können, wie beengt sie als Daventrys Gattin leben müsste – denn zweifellos bliebe auch Miss Daventry nach einer Eheschließung ihres Bruders hier wohnen –, wäre ihr der Gedanke an eine Heirat zweifellos rasch vergangen.
    Es herrschte allerdings eine makellose Reinlichkeit, wie ihm auffiel. Als ob Staub sich in ein Zimmer, in dem Miss Daventry wohnte, gar nicht erst hineinwagte. Alles glänzte vor Sauberkeit. Die Holzoberflächen waren gewachst und poliert. Nirgendwo Spinnweben. An einer Wand stand ein Schreibsekretär mit einem Vitrinenaufsatz, der vor Büchern beinahe überquoll. Julian runzelte die Stirn. Das Möbelstück war unmodern, aber es zeugte von vergangenem Wohlstand.
    Interessant. Andere Gegenstände fielen ihm auf. Auf einem altmodischen Esstisch mit herunterklappbaren Seitenplatten stand ein
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