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Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Titel: Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Autoren: Marlies Ferber
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Enttäuschung seiner Eltern, die ihm die Klavierausbildung bei den besten Lehrern ermöglicht hatten   – dem anonymen Heer der mittleren Staatsbediensteten bei, um fortan das wenig aufregende Leben eines Beamten zu führen. Doch dies bedeutete ganz unerwartet den Beginn einer neuen Karriere. Befreit vom Druck öffentlicher Auftritte, entfalteten sich seine intellektuellen Fähigkeiten in einem Ausmaß, das seine Vorgesetzten verblüffte und ihm schnell den Spitznamen ›The Genius‹ einbrachte.
    Als James ihm das erste Mal begegnete, war William siebenundzwanzig und als Einsatzleiter verdeckter Operationen zur Aufklärung interner Korruption bereits sein Vorgesetzter. Sie hatten sich angefreundet, weil sie fast gleichaltrig waren und sich in einer Behörde, die ihnen vorgestrig erschien, wie Verschworene fühlten. Später ließ sich William ebenso wie James in den Außendienst versetzen. Das war das zweite Mal, dass William eine vielversprechende Laufbahn ohne mit der Wimper zu zucken aufgab. Er hatte sich von James’ Begeisterung für das Abenteuer und von dem Prickeln, das beruflich sanktionierte Täuschung und Lüge versprachen, anstecken lassen. Im Gegensatz zu James hatte William bei seinen Ermittlungen immer nur eine Identität angenommen: Er reiste stets mit seinem Klavier, einem monströsen Konzertflügel der Marke Erard. DerTransport kostete den SIS zwar jeweils eine Menge Geld, funktionierte als Tarnung aber perfekt. Ein Künstler, der mit seinem Flügel im Hotel abstieg und auch jeden Tag mehrere Stunden darauf spielte, fiel immer auf. Man fragte sich, ob er wohl ein berühmter Konzertpianist sei, der inkognito unterwegs war, oder ein Komponist oder ein spleeniger, wohlhabender Privatier. Niemand vermutete den Geheimagenten in ihm. Seine Leidenschaft war zugleich sein Narrenkostüm, das ihm einen Spielraum schenkte, um den James ihn beneidete. So ging das zehn Jahre lang, und es waren die besten und aufregendsten ihrer Freundschaft. Doch dann verliebte sich William leidenschaftlich und stürzte sich Hals über Kopf in sein nächstes Leben. Darin war kein Platz mehr für Lügen. Er nahm den Namen seiner Frau an und startete als Unternehmer seine vierte Karriere: Seine Frau Heather war Erbin einer kleinen Bierbrauerei, die er gemeinsam mit ihr leitete.
    James und er hatten seitdem ein Leben geführt, wie es unterschiedlicher kaum sein konnte. Dennoch hielten sie an ihrer Freundschaft fest, auch wenn sie nur noch selten Gelegenheit fanden, sich zu treffen. So war das Leben des Freundes hauptsächlich in Form von Geburtstags- und Weihnachtskarten, Fotos, Urlaubsgrüßen, Hochzeits- und Geburtsanzeigen an ihm vorbeigezogen   – wie im Zeitraffer. Vor einem Jahr hatte William ihn angerufen und ihm vom Tod seiner Frau berichtet. Er klang sehr niedergeschlagen, und James war froh, dass der Freund bei seiner Tochter Stella, die mit ihrem Mann das Familienunternehmen übernommen hatte, gut aufgehoben war. Umso überraschter war er, als er von William einen Brief bekam, der in Hastings abgestempelt war. Er enthielt eine Ansichtskarte von Eaglehurst, auf deren Rückseite er den Limerick gekritzelt hatte und darunter die Worte »Ruf mich an!«. James hatte vergeblich versucht, ihn zu erreichen, und wenige Tage späterhielt er einen schwarz geränderten Brief in der Hand: Williams Todesanzeige.
     
    »Haben Sie Lust auf einen Spaziergang?« Mr Peabodys Frage riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Später vielleicht«, sagte James. »Ich will mich hier zunächst etwas umsehen.« Als er sich erhob, trat ein zierliches junges Mädchen auf ihn zu. Aus ihrem kurzen schwarzen Wollrock ragten dünne Beine hervor, die in schwarzen Leggings steckten, ihre schwarz geschminkten Augen waren von einem Dutzend Piercings umrahmt.
    »Wohin möchten Sie?«
    »In den Salon«, antwortete James. Er musterte das verschlossene Gesicht des Mädchens und bemerkte, dass sie etwas gemeinsam hatten: Ihr war es genauso unangenehm, ihn begleiten zu müssen, wie es ihm unangenehm war, sich von ihr führen lassen zu müssen.
    »Was macht ein so junges Mädchen wie Sie hier?«
    »Mrs White ist meine Mutter.« Das Mädchen wirkte nicht wie jemand, der darauf brennt, von einem alten Herrn in einen Smalltalk verwickelt zu werden.
    »Und? Gefällt es Ihnen hier?« James gab nicht so schnell auf.
    »Mh.«
    »Also nicht besonders?«
    »Doch, ich find’s super hier«, sagte sie gedehnt, winkelte ihren Arm ab, damit er sich unterhaken konnte, und reckte das
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