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Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Titel: Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Autoren: Marlies Ferber
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Frau«, sagte Mr Peabody nachdenklich, »sie erinnert mich an meine verstorbene Frau, Jane. Sie hat so etwas Zupackendes, Bestimmtes. Sie lässt sich durch nichts erschüttern.«
    James wusste, was er meinte, und fragte sich, ob Mr Peabody glücklich in seiner Ehe gewesen war. Diese Sorte von Frauen schien aufgeschlossen und interessiert, kreiste aber im Grunde nur um sich selbst. Vermutlich hatte Mrs Peabody niemals auch nur eine Ahnung davon gehabt, was ihr Mann wirklich dachte oder fühlte.
    »Nun«, sagte er, »aber gestern Abend war Mrs White eindeutig erschüttert, nicht wahr?«
    Mr Peabody nickte heftig. »Aber wer wäre das nicht gewesen! Es ist schließlich das zweite Mal, dass so etwas passiert ist!«
    »Ach ja?« Endlich war James am Ziel. Er war begierig zu hören, was Mr Peabody ihm zum Tod seines Freundes erzählen konnte.
    »Es war erst vor drei Wochen, auch an einem Bingo-Abend«, erzählte Mr Peabody bereitwillig. »Ich weiß es noch genau. Es traf den armen William Morat, einen Herrn, der noch gar nicht lange hier lebte. Ich weiß nicht, was er beruflich gemacht hat, wahrscheinlich war er Musiker, Pianist oder so etwas. Ständig saß er am Flügel.«
    James lächelte in sich hinein. William und sein Klavierspiel!
    »Er saß oft bei mir am Tisch«, fuhr Mr Peabody fort, »wir haben uns glänzend unterhalten. Mr Morat war ein vielseitig interessierter Mensch.«
    James konnte sich vorstellen, welche Eigenschaft es vor allem war, die William in den Augen von Mr Peabody zu einem guten Unterhalter gemacht hatte: Er konnte gut zuhören.
    »Mrs White hatte gerade begonnen, die Bingo-Zahlen vorzulesen, als Miss Hunt hereinstürzte. Sie hatte Mr Morat im Salon gefunden. Dr.   Goat meinte, es sei plötzlicher Herztod gewesen. So schnell kann’s gehen.«
    »Dr.   Goat?«
    Mr Peabody lächelte. »Unser Hausarzt und Kügelchen-Guru. Er hat seine Praxis gleich nebenan. Ich persönlich halte nicht viel von Homöopathie, wissen Sie, aber die meisten Leute hier, besonders die Damen, beten den Doktor an.«
    »War Mr Morat schon sehr alt?«, fragte James.
    »Ich weiß nicht. Aber er wirkte viel jünger als die meisten hier, kaum älter als sechzig, denke ich. Keine Ahnung, ehrlich gesagt, was er hier machte.« Peabody zuckte mit den Schultern. »Nun ja, offensichtlich hatte er ein schwaches Herz.«
    James lächelte. »Ja, man sieht den Leuten nicht immer an, was mit ihnen los ist, nicht wahr?« Sein Handy vibrierte, und er holte es aus seiner Jackettasche.
    »Erwarten Sie einen Anruf?«
    James drückte den Anruf weg. Sheila versuchte zum vierten Mal, ihn anzurufen. »Ich sehe nur nach, wer angerufen hat.«
    »Ihre Kinder?«, fragte Mr Peabody neugierig.
    »Nein, ich habe keine Kinder.«
    »Ich auch nicht. Leider. Wir haben es lange versucht, aber es hat nie geklappt. Waren Sie verheiratet?«
    »Auch das nicht.«
    »Nie die Richtige getroffen?«, bohrte Peabody weiter.
    »Ich fürchte,
ich
bin nicht der Richtige. Ich bin nicht sehr gesellig.«
    Peabody lachte. »Apropos gesellig, da fällt mir ein, Mr Morat wohnte in genau dem Apartment, in dem Sie jetzt wohnen. Ich hoffe, Sie glauben nicht an Geister!«
    »Meinen Sie, Mr Morat wird in meinem Zimmer spuken?«
    »Wer weiß«, scherzte Mr Peabody. »Sie werden vielleicht noch froh sein über ein bisschen Gesellschaft an diesen öden Winterabenden. Außerdem, der Unterschied zwischen Tod und Leben ist hier in Eaglehurst sowieso nicht groß.«
    »Aber Mr Morats persönliche Sachen sind ja wohl nicht mehr in meinem Zimmer, oder?«
    »Wo denken Sie hin. Mrs White packt immer höchstpersönlich alles ein und schickt es an die Angehörigen. Das geht schnell hier. Ein Blatt fällt vom Baum, und die Vögel zwitschern weiter.«
     
    James ließ sich von Mr Peabody beplaudern, während er sein Frühstück beendete und an William dachte. Er beschloss, möglichst bald Stella, William Morats Tochter, in Schottlandanzurufen. Und er musste sich den Flügel genauer ansehen, auf dem William so oft gespielt hatte. Vielleicht würde der ihm einen Anhaltspunkt liefern. William war ein aufstrebender Konzertpianist gewesen. Aber eines Tages, er war noch keine zwanzig, hatte er bei einem Konzert in der Royal Albert Hall mitten im letzten Satz des zweiten Klavierkonzerts von Rachmaninoff die Nerven verloren. Er hörte einfach auf zu spielen, knallte den Deckel des Flügels zu und rannte hinaus, um nie wieder in einen Konzertsaal zurückzukehren. Einige Monate später trat er   – sehr zur
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