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Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Titel: Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Autoren: Marlies Ferber
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Kinn ungeduldig nach vorn. »Wir müssen da lang zum Salon.«
    »Ich bin erst gestern angekommen«, versuchte er es weiter in liebenswürdigem Ton, während sie zum Salon gingen. »Ich habe mich noch nicht vorgestellt, Miss White. Mein Name ist James Gerald. Wir werden jetzt wahrscheinlich häufiger miteinander zu tun haben.«
    »Sie müssen nicht Miss White zu mir sagen. Sagen Sie einfach Katie, das machen alle.«
    »Darf ich fragen, wie alt Sie sind, Katie?«
    »Fünfzehndreiviertel.«
    »So jung, und schon die Schule beendet?«
    »Praktikum«, gab sie zurück und öffnete die Tür zum Salon. James hatte damit gerechnet, dass er um diese Uhrzeit fast menschenleer sein würde. Doch er war so gut besucht wie zu den besten Hotelzeiten. Natürlich, dachte James, wo sollten die Bewohner auch sonst bleiben? Nach dem Frühstück wurde der Speisesaal geschlossen, damit das Personal abräumen und sauber machen konnte. Dieser große holzvertäfelte Raum mit seinen dunkelbraunen Clubsesseln und den dicken blumengemusterten Volants war das Wohnzimmer von Eaglehurst. Wer die Zeit bis zum Mittagessen nicht allein in seinem Zimmer totschlagen wollte und auch nicht mehr so mobil wie Mr Peabody war, hielt sich hier auf.
    Im Kamin schienen Flammen zu lodern. Erst bei näherem Hinsehen erkannte James, dass man, wie auch in seinem Zimmer, den echten Kamin durch ein gasbetriebenes Imitat ersetzt hatte. Nicht weit entfernt stand der Flügel. Er war mit einer schweren roten Decke geschmückt, darauf stand eine Delfter Vase mit bunten Kunstnelken. Einige Clubsessel waren besetzt, viele jedoch ordentlich an den Rand geschoben, denn die meisten Bewohner von Eaglehurst hatte man in ihren voluminösen Rollstühlen in den Raum geschoben. Ein paar Herrschaften saßen vor den Fenstern und schauten hinaus, ein Damengrüppchen spielte Karten, eine Frau strickte. Rund um den Kamin standen sechs Rollstühle, und die, die darin saßen, blickten in die züngelnden Gasflammen. Der dicke Teppich schluckte fast jedes Geräusch, aber da war nicht viel zu schlucken. Die Kartenspielerinnen gaben ab und zu Laute von sich, ansonsten war esgespenstisch ruhig im Salon. Ein Großteil der Anwesenden hatte sich am anderen Ende des Raums vor einem großen Flachbildfernseher versammelt, alle trugen Kopfhörer. Wahrscheinlich, mutmaßte James, war es so am leichtesten, die individuellen Grade der Schwerhörigkeit auszugleichen. Soweit er das beurteilen konnte, lief eine uralte Folge von
Coronation Street
. James ließ seinen Blick in Richtung Bar schweifen und bemerkte erfreut, dass sie mit wohlbekannten Flaschen bestückt war.
    »Lassen Sie uns an die Bar gehen«, sagte er lächelnd zu Katie. »Ich lade Sie ein!«
    Katie sah ihn mit großen Augen an. »Das geht nicht!«
    Jetzt war auch James’ Geduld am Ende. »Herrgott, das war ein Scherz! Ich hatte nicht wirklich erwartet, dass Sie mit mir einen Martini trinken.«
    »Nein, nein«, sagte Katie verlegen, »das meine ich nicht, Mr Gerald   …«
    Mittlerweile standen sie direkt vor der Bar, und James begriff, was sie ihm sagen wollte. Die Flaschen waren leer. Er sah sich um: Auf den Tischen standen Mineralwasserflaschen und Schnabeltassen. Die Flaschen an der Bar waren nur Dekoration. Er schluckte.
    »Ziehen Sie keine falschen Schlüsse aus dem, was Sie sehen, Mr Gerald«, sagte eine sanfte Stimme hinter ihm. Er drehte sich um und sah Eleonora Hideous, die ihn liebenswürdig anlächelte. »Ganz so schlimm, wie Sie vielleicht denken, ist es nicht. Dass die Flaschen an der Bar leer sind, heißt noch lange nicht, dass hier kein Alkohol getrunken wird.«
    James gab Katie einen Wink, und sie führte ihn zu dem Tisch, an dem Eleonora saß. »Sie können Gedanken lesen«, sagte er. »Gestatten Sie, dass ich mich zu Ihnen setze?«
    »Natürlich.« Sie lächelte. Es war ein breites Lächeln, das ihr ganzes Gesicht in Falten legte, und die hellgrünen Augen sahenihn mit einer Offenheit an, die er selten bei einem Menschen erlebt hatte und die sie seltsam schutzlos wirken ließ. Ihm wurde bewusst, dass er ihr einen kurzen Moment länger in die Augen gesehen hatte, als es höflich war, und wendete schnell den Blick ab.
    »Haben Sie sich etwas erholt von gestern?«, fragte Eleonora. »Es muss ein Schock für Sie gewesen sein, als Mr Maddison starb.«
    Er nickte. »Ja, aber für Sie zweifellos ein noch größerer, nicht wahr? Kannten Sie Mr Maddison gut?«
    »Wir haben oft die Abende zusammen verbracht, Thomas, meine Schwester
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