Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Titel: Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter
Autoren: Damian Raye
Vom Netzwerk:
gedacht, dass dort etwas Böses hausen könnte. Jetzt aber hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, dass darin Kälte wohnte, Schatten lauern könnten.
     
    Das Haus stand in einem grünen Flusstal, hatte einen Garten voller Blumen. An der Terrasse blüten in Frühjahr und Sommer Rittersporn und Strauchrosen, Lavendel und Flammenblumen. Anne hatte zwischen kunstvoll geschnittenen Buchsbaumkugeln auf den Kieswegen Ball gespielt und war mit der Clematis um die Wette an den Hauswänden empor geklettert.
    Tiere durchstreiften die angrenzenden Wiesen und Wälder, es brauchte nur ein paar Schritte über das Gartentor hinaus, und sie hatten die Wildnis ihrer Kindheit erreicht. Annes Freunde wohnten in den Nachbarhäusern, Landhäuser wie das Haus ihrer Eltern. Die Sommer ihrer Kindheit waren lang gewesen, voller Lachen und wilder Spiele. Die Winter hatten sie, ihre Freunde und ihre Familie am Kamin verbracht, eher in geborgener Dunkelheit als im Licht, gemütlich und warm. Warum war jetzt dort zu lesen:
     

     
    Und warum erschraken und erregten diese beiden Worte Anne? War es, weil sie aus ihrem Namen entstanden waren, jeden einzelnen seiner Buchstaben aufgezehrt hatten? Hatten sie in ihrem Namen verborgen auf diesen Moment gewartet? Gelauert wie Verschwörer auf diesen Tag und diesen Augenblick? Waren sie selbst ein Name?
     
    Wer mochte so heißen – Nox Eterna?
     
    Anne versuchte sich die Person zu diesem Namen vorzustellen, hatte sofort ein Bild im Kopf. Ihrer Fantasie fand keine Alternativen, Nox Eterna, das musste eine mächtige Magierin sein, die Herrin der Finsternis und der schwarzen Magie. Diese Vorstellung sprang sie förmlich an, ergriff augenblicklich Besitz von ihr, als ließe jene Magierin sie ihre Macht und Zauberkraft zum ersten Mal spüren. Nox Eterna war aus nichts weiter als ein paar Buchstaben zum Leben erwacht, fesselte aber vom ersten Augenblick an Annes ganze Aufmerksamkeit. Wie konnten zwei Worte so unmittelbar nach ihren Gedanken greifen, ihre Vorstellungswelt bestimmen? War es der Klang der Worte, der Hauch alter Kultur, der allen lateinischen Worten anhaftet? Nein, da war keine Erhabenheit, keine menschliche Größe. Diese Worte ließen Anne frösteln, ließen aus ihrem Inneren Ahnungen von Angst und Gefahr aufsteigen. Das faszinierte und ängstigte sie zugleich. Und dazu drängte sich nun noch ein furchtbarer Gedanke in ihr Bewusstsein: Konnte es sein, dass sie, das schüchterne fünfzehnjährige Mädchen Anne Oxter, einen magisch begabte, bösen Widerpart besaß, den sie jetzt verborgen in ihrem Namen entdeckt und vielleicht sogar geweckt hatte?
     
    Die Tür des Zimmers flog auf, die Stimme von Annes Mutter riss sie aus ihren finsteren Gedanken.
     
    „Abendessen! Es gibt Bubble und Squeak !“
     
    So leicht kann Banales selbst finstere Magie vertreiben, dachte Anne innerlich lächeln. Kartoffelbrei mit zerstampftem Gemüse. Igitt! Ein wenig Zauberkraft hätte diese Mahlzeit vielleicht in etwas Essbareres verwandeln können. Dennoch war sie froh, dem Sog ihrer schwarzen Gedanken nicht weiter folgen zu müssen.
     
    „Warum können wir nicht mal Pizza bestellen?“
     
    „Zu ungesund für meine Familie!“
     
    Klare Ansage, dachte Anne, was konnte man auch anderes von Miriam Oxter, Ernährungsberaterin und Annes Mutter, erwarten? Eine Frau, die mitten im Leben stand, immer handfest und praktisch dachte, immer ein Ziel fest im Auge hatte. Da lag auch oft das Problem zwischen Anne und ihr – ihre Ziele waren nicht die ihrer Mutter. Bernard Oxter, Bankangestellter und Annes Vater, saß schon am Esstisch. Er zeigte einen resignierten Gesichtsausdruck, den Anne schon an ihn kannte, denn er trug ihn häufiger bei Mahlzeiten wie dieser. Seine Mimik verwandelte sich aber sofort in ein zustimmendes Lächeln, als seine Frau ihn prüfend ansah. Weichei, dachte Anne. Sie wusste, dass auch er hier in dieser Küche und diesem Esszimmer geschmacklich nicht immer zuhause war. Immerhin, es gab Mulligatawny vorweg, diese scharfe Suppe, und die schmeckte Anne gut.
    xxx
    Nach dem Essen lag Anne auf ihrem zweitliebsten Möbelstück aus Tante Hillarys Erbschaft: ein unglaublich gemütliches Sofa, mit rotem Samt bezogen, hochbeiniger als moderne Sitzmöbel und unglaublich bequem. Es wirkte etwas großmütterlich in ihrem Zimmer, aber gerade das liebte Anne. Puck hatte sich neben ihr eingekuschelt und schlief. Puck war ein schlankes weißes Frettchen mit hellen blauen Augen, das sie seit ihrem elften Geburtstag
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher