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Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Titel: Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter
Autoren: Damian Raye
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hatte und das seinen Namen Shakespeares „Mittsommernachtstraum“ verdankte, denn Puck war darin der Diener und Hofnarr des Elfenkönigs Oberon, eine lebhafte und quirlige Feengestalt genau wie Annes Frettchen. Obwohl Puck auch schon mal Tage hatte, an denen er sechzehn Stunden verschlief.
     
    Anne versuchte zu lesen, es fiel ihr schwer, sich auf das Buch zu konzentrieren. Zu sehr beschäftigten diese beiden Worte ihre Vorstellungskraft:
     

     
     
    Langsam entstand das Bild dieser Person vor ihrem inneren Auge. Eine hoch gewachsene, dunkelhaarige Frau mit eiskalten blauen Augen, ausgestattet mit magischen Kräften der höchsten Kategorie, Herrscherin über ein finsteres Schloss und zahllose, ihr treu ergebene Untertanen, bewacht von einer schlagkräftigen finsteren Armee, deren Kämpfer sie selbst ausgewählt hatte …
     
    Sie war hinüber in den Schlaf geglitten, fand sich wieder in einem Klartraum: Sie folgte einer Allee, die sie an die Beach Avenue, die Straße mit den Reihen alter Buchen bei Wimborne Minster drüben in Dorset erinnerte, wo ein Freund ihres Vaters wohnte. Nur waren es nicht ihre Füße, die sie trugen, sondern etwas zog sie voran, sie fühlte sich, als würde sie schweben oder getragen werden, in eine Richtung, in die sie nicht wollte. Auch wurde die Straße immer unwirklicher, die Bäume wirkten schemenhaft, Nebel stieg auf, der sich wie ein weißes Tuch über den Boden legte. Von oben starrte sie an einem grauen Himmel eine schwarze Sonne an, so schwarz, wie die wirkliche Sonne hell ist, so brennend kalt wie diese heiß ist, und ihre Strahlen schlitzten die Haut wie Messerstiche. Schließlich verschwand die Allee und alles um sie herum in grauer Eintönigkeit, durch die sie schwebte, aus der aber schließlich nach einer langen Zeit eine Treppe aufstieg, von Riesen erbaut aus dunklem Granit für die Schritte anderer Riesen. Mit jeder ihrer viel zu hohen Stufen gerichtet auf die schwarze Sonne, führte sie himmelhoch aufragend nach oben, mit dem Stern der Finsternis als Ziel. Nun trugen Annes Füße sie wieder, aber mit jedem Schritt nach oben stieg mehr Angst in ihr auf, schwand ihre Zuversicht, meinte sie zu vergessen, wer sie war. All das, was sie sah, war schrecklich genug, doch am schlimmsten fand sie eine Empfindung, als löse ihre Seele sich auf, als ob sie die Schalen ihrer Person abwarf, die sieben Schalen der Wirklichkeit, nackt und immer nackter dastand, nur noch der Kern ihrer selbst, obwohl sie nach wie vor ihre Kleider trug. Übermächtig war das Gefühl, dass etwas Bedeutendes grundlos endete. Sie taumelte, stürzte blind voran, bis sie schließlich vor einer Pforte stand, die zwei schwarze Gestalten ohne Gesicht bewachten. Die Flügel des Tores öffneten sich geräuschlos, Schatten brach daraus hervor, machte die Finsternis dunkler.
     
    „Es ist Zeit für die Verwandlung!“ sagte eine Stimme von irgendwo her. „Tritt ein, du bist nun bereit!“
     
    Anne beobachtete mit Schrecken, dass sich nun ihr ganzes Fühlen und Denken änderte. Sie dachte nicht mehr wie Anne Oxter, spürte nicht mehr deren Regungen, sondern war leer, maßlos leer und spürte zugleich einen mit jeder Sekunde an Intensität zunehmenden Wunsch: Sie wollten wieder etwas sein, etwas werden, ihr innerstes Ich mit einem Schutzschild umhüllen, eine Rüstung um ihre Seele anlegen, nach außen stark und unverletzlich werden.
     
    Sie stand nun in einem weitläufigen Raum, dem Versammlungsraum eines Fürsten oder vielleicht auch ein Thronsaal. Noch immer trug sie ihr blaues Kleid, aber jetzt streifte sie es ab, warf es achtlos auf einen gewaltigen Herrschersitz neben sich.
     
    Zwei ganz in Grau gekleidete Dienerinnen traten heran. Auf den ersten Blick hatten sie etwas Erhabenes, Bedeutendes, aber aus der Nähe betrachtet erinnerten sie Anne an sehr alte Schildkröten einer boshaften Art, bleiche, magere Gestalten mit einer Haut wie dünnes Pergament, die über den Knochen ihres Gerippes spannte. Ihre toten, leeren Augen blickten ins Nichts, sie bewegten sich schwankend und scheinbar unsicher, waren letztlich aber doch in der Lage, ihr Ziel zu erreichen. Diensteifrig trugen sie eine Robe aus dunklem Satin herbei, blau wie die Nachtblüten neben ihr, legten sie um Annes Schultern. Die Kraft des magischen Kleidungsstückes durchströmte sie, sie empfand neue Energie, wurde überschwemmt von Gefühlen und Regungen vielfältiger Art, darunter auch solche, die ihr bisher fremd gewesen waren, böse, eigensüchtig
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