Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Titel: Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter
Autoren: Damian Raye
Vom Netzwerk:
zur göttlichen Obrigkeit.
     
    „Und, Samttatze? Was hat dein Herrchen so alles angestellt in letzter Zeit? Mit Gott telefoniert? Besuch von der Konkurrenz? Der mit den Hörnern, du weißt schon …“ Pfarrer Theodor Liffles war nicht besonders beliebt im Ort, seit er vor etwa sechs Jahren nach Maidstone gekommen war. Es gingen Gerüchte über seine moralische Anfechtbarkeit und manches junge Mädchen meinte, seinen Blick etwas zu lange auf ihren heranwachsenden Formen gespürt zu haben. Auch gingen mit jedem Jahr weniger Gläubige in die Kirche, unter anderem wohl auch, weil seine Predigten etwas ausgesprochen Ermüdendes hatten, während die seines mittlerweile im Ruhestand befindlichen Amtsvorgängers Pfarrer Ableton neben der belehrenden, religiösen immer eine heitere und unterhaltende Komponente gehabt hatten.
     
    Die Katze antwortete mit einem Maunzen, dass Silly augenblicklich nachzuahmen begann. Sie maunzte nicht einmal oder zweimal, sondern fühlte sich in den Klang des Geräusches hinein, probierte wieder und wieder Variationen, veranstaltete eine spontane Maunz-Performance, wurde fast selbst zur Katze. Endlich wandte sie sich zu Anne und Alan.
     
    „Ihr müsst nämlich wissen, wir Katzen haben einen Draht nach ganz oben und sind mit Sicherheit Spione Gottes, so eine Art Agenten-Pussies! Wir überwachen den Lebenswandel des Bodenpersonals. Von denen hört man ja so einiges …“
     
    Sie gefiel sich in der Katzenrolle, redete wie ein Wasserfall und scheinbar ohne auch nur einmal Luft zu holen, während sie an der All Saints Church und dem Archbishop’s Palace vorübergingen. Kurz: Anne vergaß ihren Traum. Soviel Wirklichkeit verdrängte die merkwürdigen Verbindungen, die sie zwischen Tag und Traum geknüpft hatte. Zumindest glaubte sie jetzt nicht mehr an einen Zusammenhang zwischen ihrer nächtlichen Identität und der Wirklichkeit eines kranken Deutschlehrers. Vor dem Schultor verabschiedete sich Alan. Wohin geht er jetzt wohl, fragte sich Anne kurz, ihre Aufmerksamkeit wurde aber von einem neuen Wortschwall aus Sillys Mund hinweg gerissen. Diesmal dozierte sie ausführlich über die Kulturgeschichte des Schulfrühstücks, weil sie ihr Sandwich zuhause vergessen hatte.
     
    Der Vormittag verlief wie immer, sechs Stunden mehr oder weniger ermüdender Unterricht. Matthew aus dem Parallelkurs hielt in Bio ein Referat, erzählte in der Pause von den neuen Pflanzen im Schlosspark von Leeds, wo er in seiner Freizeit arbeitete.
     
    „Wir haben jetzt einen Titanwurz – riesige Blüte, stinkt bestialisch!“
     
    Sicher nicht mehr als mir die Schule, dachte Anne. Matthew würde mal ein großer Biologe werden. Was wohl aus ihr werden würde? Sie hatte noch keine Ahnung.
     
    Anne ging nach der Schule mit Silly in den Wathman Park. Sie saßen auf einer Bank am Medway, blickten auf das grüne Wasser des Flusses, aßen Fish und Chips zu Mittag und redeten, bis es zu regnen begann, auch über Alan.
     
    „Sag mal“, fragte Anne, „hast du ne Ahnung, was Alan so macht?“
     
    Silly schüttelte den Kopf, viel zu wild für eine junge Dame.
     
    „Nein, ich weiß nur, dass er aus London kommt.“ Nicht einmal Silly wusste etwas, auch die bestens informierte Freundin hatte noch nicht viel über Alan gehört. „Sie sagen, er hat da so rumgejobbt, so dies und das gemacht.“
     
    Als Anne am Nachmittag ziemlich durchnässt nachhause kam, wartete ihre Mutter bereits auf sie.
     
    „Die Zustände in deinem Zimmer spotten jeder Beschreibung, und du hattest mir versprochen, mir bei der Wäsche zu helfen und … Pucks Käfig und …“
     
    Annes Ohren schalteten wie automatisch auf Durchzug. Gut, ihr Zimmer sah tatsächlich aus, als hätten darin die letzten Herbststürme gewütet, eine wüste Mischung aus Kleidern, Papier, Essensresten und leeren Flaschen überall, aber irgendetwas daran gefiel Anne. Ja, sie fand dieses Chaos gut. Und sie sträubte sich zuzugeben, dass sie im Unrecht war und etwas falsch gemacht hatte. Der Tag mit Alan und Silly war so harmonisch verlaufen, jedermann hatte sie respektiert, niemand hatte an ihr herumgemeckert, und Anne wollte, dass dies so bliebe.
     
    „Ich freue mich auch, dich zu sehen!“ entgegnete sie mit einem falsch-freundlichen Grinsen. „Mann, macht das Spaß, nachhause zu kommen.“
     
    „Hier geht es nicht um Spaß, meine Liebe!“ erwiderte Annes Mutter. „Im Leben geht es so gut wie nie um Spaß!“
     
    „Für dich vielleicht nicht, für mich schon!
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher