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Novizin der Liebe

Novizin der Liebe

Titel: Novizin der Liebe
Autoren: CAROL TOWNEND
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flackerten im Luftzug, als ihre Schwester, Lady Emma Fulford, die Pförtnerin zurückstieß, die sie zurückhalten wollte, und in die Kapelle stürmte.
    Emma, mit ihren siebzehn Jahren ein Jahr älter als Cecily, war eine eindrucksvolle Erscheinung in ihrem wallenden rosenfarbenen Kleid und dem weinroten Samtumhang. Sie ließ eine kurze Reitpeitsche und ein Paar cremeweißer Handschuhe aus Glacéleder auf die Steinplatten fallen und stürzte sich auf Cecily.
    „Cecily! O Cecily, du musst mit mir sprechen! Unbedingt!“
    Gefangen in einer Umarmung, die so fest war, dass sie beinahe verzweifelt wirkte, kostete es Cecily einige Mühe, sich aus der Wolke von Seide und Rosenduft zu befreien, um das Gesicht ihrer Schwester betrachten zu können. Ein Blick genügte, um sie ihr Schweigegelübde vergessen zu lassen. „Natürlich werde ich mit dir sprechen.“
    Emma ließ ein wenig damenhaftes Schniefen hören. „Sie …“, ihr langer Seidenschleier wehte, als sie mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf Schwester Judith wies, „… sagte, du würdest Exerzitien abhalten und dürftest nicht gestört werden. Und dass du demnächst wohl endlich dein Ordensgelübde ablegen würdest.“
    „So ist es.“ Emma hatte geweint, doch nicht nur in den vergangenen paar Minuten. Ihr zarter Teint wirkte fleckig und aufgedunsen, und unter ihren Augen lagen tiefe dunkle Ränder. In den vier Jahren, die verstrichen waren, seit man Cecily ins Kloster gebracht hatte, war Emma ihr fremd geworden, doch die zarte Schönheit ihrer älteren Schwester war ihr im Gedächtnis geblieben. Sie nun derart abgehärmt und aufgewühlt zu erleben, ließ sie schaudern.
    Schwester Judith schlug die Tür der Kapelle hinter sich zu und blieb an der Schwelle stehen. Die Arme vor der Brust gekreuzt, blickte sie kopfschüttelnd zu Cecily hinüber, dieser Novizin, der es wieder einmal nicht gelungen war, ihre Exerzitien zu Ende zu bringen.
    Cecily nahm Emmas Hand. Ihre Finger waren kalt wie Eis. „Es ist noch etwas geschehen, nicht wahr? Etwas Entsetzliches.“
    Emmas Augen füllten sich mit Tränen. „O Cecily“, schluchzte sie, „es ist Maman …“
    „ Maman ? Was? Was ist mit Maman ?“ Doch Cecily brauchte die Antwort gar nicht abzuwarten, der Gesichtsausdruck ihrer Schwester sprach Bände.
    Ihre Mutter war tot.
    Mit zitternden Knien streckte sie die Arme nach Emma aus, und die beiden Schwestern klammerten sich Halt suchend aneinander.
    „Nicht Maman “, brachte sie mit erstickter Stimme hervor. „Emma, bitte, nicht auch noch Maman …“
    Ihre Schwester nickte, während ihr die Tränen über die Wangen liefen.
    „W…wann?“
    „Vor drei Tagen.“
    „Wie? War es … war es die Niederkunft?“ Es konnte nicht anders sein. Ihre Mutter, Philippa of Fulford, war siebenunddreißig – nicht jung –, und zum Zeitpunkt der Schlacht von Hastings im siebten Monat schwanger gewesen. Selbst von normannischer Abstammung, war es ihr besonders schwergefallen, den Angriff der Normannen auf ihre englische Heimat zu verkraften. Ihre Mutter hatte sich gewiss große Mühe gegeben, ihre Gefühle zu verbergen, dessen war Cecily sich sicher, doch der Tod ihres angelsächsischen Gatten und ihres erstgeborenen Sohnes waren wohl zu schwer zu ertragen gewesen.
    Viele Frauen starben im Kindbett, und angesichts des Alters ihrer Mutter und ihrer Trauer um Ehemann und Sohn …
    Emma wischte sich die Tränen fort und nickte. „Ja. Die Wehen kamen zu früh, sie waren lang und schmerzhaft, und dann … O Cecily, sie hat so viel Blut verloren. Wir konnten nichts tun, um den Fluss zu stillen. Wärest du nur da gewesen! Dank deiner Zeit an Schwester Mathildas Seite verstehst du so viel von Heilkunde, während ich …“ Ihr versagte die Stimme.
    Cecily schüttelte den Kopf. Es stimmte, dass sie alles begierig in sich aufgesogen hatte, was Schwester Mathilda sie gelehrt hatte, doch sie wusste auch, dass nicht jeder gerettet werden konnte. „Emma, hör zu: Du trägst keine Schuld an Mamans Tod. Innere Blutungen lassen sich so gut wie nie stillen. Und außerdem ist es möglich, dass sie schlicht den Lebenswillen verloren hat, nachdem Vater und Cenwulf gefallen waren.“
    Emma schniefte. „Mag sein. Wir wollten dich holen lassen. Wilf war zum Aufbruch bereit. Doch als uns der Ernst der Lage bewusst wurde, war es … zu spät.“ Emma griff nach Cecilys Händen.
    „Es war nicht deine Schuld.“
    „Niemand hatte mich unterwiesen! O Cecily, wenn du sie hättest sehen können, nachdem
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