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Novizin der Liebe

Novizin der Liebe

Titel: Novizin der Liebe
Autoren: CAROL TOWNEND
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der Bote ihr die Hiobsbotschaft aus Hastings überbracht hatte. Sie konnte weder essen noch schlafen, wandelte umher wie ein Geist. Es war, als sei mit Vaters Tod ein Licht in ihr erloschen. Vater war kein einfacher Mann, und Maman keine Frau, die ihre Empfindungen offen zeigte …“
    „Das Zurschaustellen von Gefühlen ist geschmacklos und geziemt sich nicht für eine Dame“, murmelte Cecily und wiederholte damit einen wohlvertrauten Ausspruch ihrer Mutter.
    „Ganz recht. Doch sie liebte ihn. Falls irgendjemand dies bezweifelt haben sollte …“, Emma blickte ihre Schwester durchdringend an, wohl wissend, dass Cecily und ihr Vater, Thane Edgar, nicht nur wegen des Hinausschiebens ihrer Profess, ihres Ordensgelübdes, aneinandergeraten waren. „Falls also jemand dies bezweifelt haben sollte, hätten die vergangenen vier Wochen ihn eines Besseren belehrt. Und Cenwulf …“, aus Emmas Blick sprach tiefe Zuneigung, „ich sehe, dass auch du ihn geliebt hast.“
    „ Mamans Herz war gebrochen.“
    Emma schluckte. „Ja. Und zerrissen.“
    „Weil ihre eigenen Landsleute die Angreifer waren?“
    Emma drückte Cecilys Hand. „Ich wusste, du würdest es verstehen.“
    „Lady Emma …“ Schwester Judiths Stimme unterbrach sie und erinnerte die jungen Frauen an die Anwesenheit der Pförtnerin am Portal der Kapelle.
    Es war Schwester Judiths Pflicht, Fremden den Zugang zum Kloster entweder zu gestatten oder zu verwehren. Da es sich nicht um einen geschlossenen Orden handelte, wurde die Erlaubnis im Allgemeinen gewährt, niemals jedoch, wenn eine Nonne oder Novizin sich ihren Exerzitien widmete. Die Hände in Höhe des Gürtels gefaltet, ein schimmerndes silbernes Kreuz vor der Brust, betrachtete die Nonne Emma mit strengem, doch nicht unfreundlichem Blick. Das Gehörte war ihr zu Herzen gegangen, erkannte Cecily.
    „Lady Emma, da Ihr es für geboten hieltet, die Exerzitien Eurer Schwester zu unterbrechen, möchte ich vorschlagen, dass Ihr das Gespräch in der Pförtnerloge fortsetzt. Gleich wird das Angelusläuten erklingen, und die übrigen Gemeinschaftsmitglieder werden die Kapelle benötigen.“
    „Aber gewiss, Schwester Judith. Wir bitten um Verzeihung“, entgegnete Cecily.
    Cecily bückte sich, um Emmas Reitpeitsche und die Handschuhe vom Boden aufzuheben, nahm ihre Schwester an der Hand und führte sie hinaus ins Freie.
    Ein kalter Herbstwind wirbelte Stroh über den Hof. Holzrauch quoll aus dem Küchengebäude, und der Atem der beiden Frauen glich weißen Dampfwölkchen, die sogleich fortgeweht wurden.
    Emma zog sich den weinroten Umhang enger um die Schultern.
    Cecily, die seit ihrem Eintritt ins Kloster keinen Mantel von solcher Qualität mehr in den Händen gehabt hatte und nicht einmal einen dünnen Umhang trug, zitterte vor Kälte und führte ihre Schwester rasch über den Hof auf das Südtor zu.
    Die Pförtnerloge, eine strohgedeckte Hütte, lehnte windschief an der Palisade. Am östlichen Ende der Loge schloss sich das Gasthaus des Klosters an, ein etwas größeres Gebäude. Cecily geleitete ihre Schwester hinein.
    Obwohl die Tür weit offen stand, lag der Raum im Halbdunkel, denn die Wandbretter standen sehr dicht beieinander und es gab nur ein oder zwei mit Läden versehene Fensterschlitze, durch die etwas Tageslicht eindringen konnte. Da keine Gäste beherbergt worden waren, fand sich im Kamin statt eines Feuers nur ein Haufen kalter Asche. November war der Beginn der dunklen Jahreszeit, doch Cecily hütete sich davor, Mutter Aethelflaedas Zorn auf sich zu ziehen, indem sie eine der kostbaren Wachskerzen anzündete. Sie hatte ihre Exerzitien unterbrochen, und wenn sie dieser Sünde nun auch noch die des Ansteckens einer Kerze bei Tageslicht hinzufügte, würde sie bis Weihnachten in zehn Jahren dafür Buße tun müssen.
    Cecily legte die Reitpeitsche und die Handschuhe ihrer Schwester zusammen mit ihrem Rosenkranz auf einen aufgebockten Tisch und öffnete die Fensterläden. Für ein wenig mehr Helligkeit würden sie Kälte und Durchzug in Kauf nehmen müssen. Emma lief voller Unruhe auf und ab. Der Saum ihres rosenroten Kleides war, wie Cecily nun Gelegenheit hatte zu bemerken, von Schlammspritzern übersät, ihr Seidenschleier hing schief und der Kranz, an dem er befestigt war, war verbogen.
    „Du bist schnell geritten, um mir diese traurige Nachricht zu überbringen“, sagte Cecily langsam, während ihre Schwester rastlos auf und ab ging. Nun, da der erste Schreck vorüber war, konnte sie
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