Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen
Autoren: Richard Swartz
Vom Netzwerk:
veredeln. Aber trotzdem war der Mann stolz darauf, dass etwas, worüber er verfügte, in Amerika doch zur Anwendung gekommen war, und er fragte sich, ob auch die Frau bereit wäre, dies als Tatsache anzuerkennen, obgleich sie vielleicht abstreiten würde, dass es für sie auch einen Genuss bedeutet hatte.
    In der Erinnerung versuchte der Mann, sich ins Gedächtnis zu rufen, was auf dem Sofa geschehen war. Er bemühte sich, so viele Details wie möglich von dem festzuhalten, was, wie man die Sache auch betrachtete, bisher sein einziger richtiger Erfolg in diesem Land war, das einzige, was er im letzten halben Jahr ausgeführt oder zustande gebracht hatte, das ihn mit Zufriedenheit erfüllt hatte, das sein Selbstwertgefühl gestärkt hatte, und mit der Hand wollte er sich den Schweiß vom Gesicht wischen, aber er hielt inne; in dieses Gesicht hatte ja die Frau gespuckt, und recht hatte sie gehabt, ein Spiegel fehlte in diesem Zimmer.
    Morgen würde er einen Spiegel kaufen. Die Frau hatte das Handtuch auf dem Sofa liegen lassen, und der Mann wischte sich jetzt damit das Gesicht ab. Als er das Handtuch dagegen drückte, blieb ein süßer Duft von ihrem Geschlecht in seiner Nase zurück.
    Es stimmt, dass ein Spiegel seinen Genuss noch verstärkt hätte. In einem Spiegel hätte er auch sich selbst beobachten können, über die Frau gebeugt, die vor ihm kniete, seiner Lust und seinen Launen ausgeliefert. Aber seinem Zimmer fehlte ein Spiegel, und der Mann merkte, wie die Eindrücke von diesem Abend, die er so lange wie möglich im Gedächtnis festzuhalten versuchte, bereits ihre Form zu verlieren und zu erlöschen begannen, ehe sie überhaupt hängengeblieben waren, wie wenige es auch waren, als wäre das, was geschehen war, nichts wert, jedenfalls nichts, wofür man hätte bezahlen müssen, und daran war doch die Frau schuld, sie war es, die sich auf diese Weise gerächt und ihm nicht erlaubt hatte, noch einmal, wenn auch nur in der Erinnerung, sie zu benutzen, und das ärgerte den Mann, welcher der Ansicht war, auch für einen solchen Genuss bezahlt zu haben.
    Stattdessen waren Einsamkeit und Hitze wieder über ihn hergefallen, und ärgerlich oder vielleicht doch eher verzweifelt zerdrückte er die zweite oder vielleicht dritte Zigarette im Aschenbecher vor sich auf dem Tisch.
    Rauchen wollte er nicht mehr. Die Hitze im Zimmer stand; in einem solchen Zimmer zu rauchen war eher eine Anstrengung als ein Genuss. Bald würde seine Frau mit ihm hier auf dem Sofa sitzen, und auch danach sehnte er sich nicht.
    Ja, ihm war klar, dass sein Unvermögen, mit stets derselben Frau zusammenzusein, von denen, die immer alles besser wussten, als Unreife gedeutet wurde, als ein unterentwickeltes und reinweg verarmtes Gefühlsleben, aber gerade die Tatsache, dass die, welche alles besser wussten, aus dem Körper eine Seele machen wollten, hatte ihn davon überzeugt, dass ihre vortreffliche Welt der Missionarsstellungen es ihnen nur erlaubte, über das zu phantasieren, auf das zu verzichten er nicht die geringste Absicht hatte, schon gar nicht im Hinblick auf Reife und seelische oder andere Hygiene.
    Was wussten eigentlich diese Menschen, die es sich so frech erlaubten, über sein Gefühlsleben zu urteilen, von solchen Genüssen?
    In der Nacht hat der Mann einen Traum. Er träumt, dass er irgendwann nach Mitternacht von einem Lärm aus einem dritten Zimmer in der Wohnung geweckt wird, das nur im Traum existiert, und dem die Wände fehlen, einem Zimmer, das sehr viel größer ist als seine zwei kleinen, und in diesem sitzen einige fremde Personen an langen Tischen und trinken und grölen. Alle wirken betrunken. Um ungestört schlafen zu können, geht der Mann zu zwei Männern an einem der langen Tische hin und bittet sie, still zu sein. Die Männer gleichen einander aufs Haar, vermutlich sind es Zwillinge, und einer davon sagt, sie seien von dem Mann bestellt worden, um die Rohre in seiner Wohnung zu reparieren. Der siebzehnte Stock sei immerhin der siebzehnte Stock, sagen die Männer im Chor, und bevor sie sich dort hinaufbemühen könnten, säßen sie hier in der Erdgeschosswohnung, um sich zu stärken. Der Mann versteht nicht, was sie sagen. Befinden sie sich hier etwa im Erdgeschoss? Nicht länger im siebzehnten Stock?
    Im Traum protestiert er. Auf Amerikanisch (in diesem Punkt ist der Traum vollkommen klar) sagt er, es seien keine Klempner bestellt worden, aber da halten die betrunkenen Handwerker je ein Ofen- oder Backblech hoch. Sehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher