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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen
Autoren: Richard Swartz
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hatte richtig gehört. Dass die Frau ihm einen letzten Kuss verweigert hatte, ärgerte ihn jetzt, nicht weil ein solcher Kuss etwas mehr oder weniger bedeutet hätte, aber im Hinblick darauf, was sie jetzt als Bezahlung verlangte.
    Ein andermal, sagte der Mann zu sich selbst.
    Er könnte es ja genauso gut aufschieben, alles für eine andere Gelegenheit aufsparen. Einen Kuss gratis würde diese Frau oder eine andere ihrer Art ihm schuldig sein. Aber dieser Gedanke, »ein anderes Mal«, war keiner, mit dem der Mann richtig zufrieden sein konnte, er irritierte ihn, weil er so unverbindlich vage und beschönigend war.
    Er spürte, wie sein Gesicht unter dem Schweiß, der darüberfloss, heiß wurde, und plötzlich machte es ihn wütend, fast nackt in seiner eigenen Wohnung herumgehen zu müssen, mit einer Frau, die ihm trotz allem, was auf dem Sofa passiert war, fremd und vollkommen gleichgültig war, und obendrein unverschämt.
    So hätte es nicht zugehen dürfen. Dies war immerhin seine Wohnung und niemandes sonst, wessen Bedingungen sollten hier gelten, wenn nicht die seinen; dass jemand anderes sich Freiheiten herausnahm, brauchte er nicht zu dulden.
    Das Geld, das der Mann ihr gegeben hatte, steckte die Frau in die kleine Handtasche, ohne es überhaupt zu zählen. Auf einmal schien es ihm, als hätte er zuviel bezahlt, als hätte er ihr aus Versehen zu viele Banknoten gegeben, und dass die Frau ihn jetzt zu betrügen und sich davonzumachen versuchte, sich davonmachte, ehe es ihm gelang, zu entdecken, dass er betrogen worden war, und mit beiden Händen griff er nach ihrer Handtasche.
    Da hatte ihm die Frau ins Gesicht gespuckt, und mit der rechten Hand hatte er sie direkt in ihres geschlagen, dann noch mal, beide Male hart.
    All das musste so schnell und unerwartet geschehen sein, dass sie beide erschraken und nicht wussten, wie es weitergehen sollte, aber da war die Frau zur Tür geeilt, hatte es geschafft, sie zu öffnen und hinter sich zuzuschlagen, bevor der Mann sich aufgerafft hatte, überhaupt irgendetwas zu tun.
    Sofort sperrte er hinter ihr zu. Er legte die Sicherheitskette vor und setzte sich wieder aufs Sofa. Seine Handflächen brannten von den beiden Schlägen, und der Mann bedauerte, dass er sie nicht noch ein drittes Mal geschlagen hatte. Eine Weile erwog er, die Tür zu öffnen, um wenigstens diese hart zuschlagen zu können, doch der Gedanke an die Nachbarn hielt ihn zurück. Schließlich überlegte er es sich anders, öffnete die Tür zum leeren Treppenhaus und schlug sie so hart er konnte zu. Das Geräusch verstärkte sich in dem leeren Treppenhaus.
    Der Mann setzte sich wieder schwer aufs Sofa, zündete sich eine neue Zigarette an und versuchte sich davon zu überzeugen, dass er mit dieser zugeschlagenen Tür zufrieden war. Seine Hände zitterten. Als er die Zigarette zu Ende geraucht hatte, ging er wieder zur Tür, aber diesmal, um sie vorsichtig zu öffnen, blieb dann ziemlich lange so stehen, die Tür angelehnt, und lauschte ins Treppenhaus hinaus. Da draußen war alles still und stumm.
    Hatte er das Richtige getan?
    Dass er die Frau nicht ein drittes Mal geschlagen hatte, war natürlich ein Fehler. Ein weiterer Schlag hätte die Ordnung zwischen ihnen wiederhergestellt. Hätte er sich nur zusammengenommen und die Frau noch einmal geschlagen, hätte er sie dann wie ein Gentleman hinunter zur Straße begleiten können, aber obwohl es spät war, hatte der Mann nicht ganz sicher sein können, ob alle anderen Mieter schon schliefen, und zu dieser nächtlichen Stunde wollte er im Haus nicht gesehen werden, schon gar nicht in Begleitung einer Frau, der jeder ansehen konnte, dass sie nicht hier wohnte. Daher war der Mann zufrieden, wieder allein zu sein.
    Halb angezogen blieb er auf dem Sofa sitzen. Es war wirklich wahr, sein Körper war ganz weiß und aufgedunsen, Amerika tat ihm nicht gut. Und was sollte er über den der Frau sagen? Dass sie ihm ihren Hintern und ihre Hinterbacken zugewendet hatte, konnte ja als Verhöhnung gedeutet werden, als hätte sie die Absicht gehabt, ihn zu demütigen, indem sie ihm statt des Begehrens, für das er sie gekauft hatte, Verachtung zeigte, und hätte ihm die Frau statt des Hinterns ihr Gesicht zugewandt, hätte er vermutlich eine solche Absicht daran ablesen können.
    Das Geschlechtsleben, dachte der Mann, ist doch nichts weiter als diese eintönige und einförmige Variation des Ewiggleichen; von echter Befriedigung zu sprechen hieße zu lügen, das Tierische zu
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