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Notizen aus Homs (German Edition)

Notizen aus Homs (German Edition)

Titel: Notizen aus Homs (German Edition)
Autoren: Jonathan Littell
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anders. Die Leute dort sind einverstanden, aber nur, wenn sie uns sofort an Abu Brahim übergeben können.
     
    *
     
    Mittag. Besuch eines Bauernhofs der FSA mit Abu Haider. Ein Dutzend Männer in Uniform, die meisten vermummt, mit Kalaschnikows. Ein weißer Pick-up, Toyota Hilux, mit einer 14,5-mm- doschka hintendrauf und Aufklebern der katiba al-Faruq auf den Türen. Die Jungs posieren für das Foto mit einer Fahne, einer doschka und RPGs, vermummt oder in Kufije.
    Dann machen wir eine Fotosession auf dem Hof, alle vermummt, mit Waffen und dem katiba -Aufkleber. Stimmung wie bei Guerillalehrlingen; Kommunikationslehrlingen vor allem.
     
    Abu Ahmad, der die nördliche Zone von Qusair kommandiert. Desertierter Offizier, mulazim 18 . Dichter Bart, ausrasierter Schnurrbart, Islamistenlook. Er hatte die Armee schon vor den Aufständen verlassen, wegen eines persönlichen Konflikts, und schloss sich gleich zu Beginn der FSA an. Schon im April versuchten sie sich militärisch zu organisieren, aber es gab noch keine Zusammenstöße.
    Sie haben Kontakte zu Ex-Militärs und noch im Dienst befindlichen Offizieren. Viele Komplizen in der Armee, Sympathisanten, Offiziere, die ihnen helfen, insbesondere, indem sie ihnen Munition zur Verfügung stellen. So bekommen sie die Hälfte ihrer Munition. Abu Haider konnte dank solcher Komplizen fliehen.
     
    Der naqib 19 , der die katiba gegründet und kommandiert hat, hieß Abu Ubaida. Er wurde am 28. September getötet. Ein Soldat zeigt mir einen Film der Leiche auf seinem Handy.
     
    Man zeigt mir auch einen Film, auf dem T-72 nach Qusair gelangen, am 16. Dezember, auf Transportern, massenweise. Dann Fotos von einem zerstörten Panzer. Dann einen Film von einem Angriff auf einen Konvoi, mehrere Fahrzeuge stehen in Flammen, ein RPG zerstört eines, Stimmen brüllen »Allahu akbar!« . All das fand am 16. statt, sie griffen an, sobald die Panzer eintrafen. Sie behaupten, drei Panzer und neun BMP zerstört zu haben. Die Panzer haben nicht sofort Feuer gefangen, so dass die Männer dreizehn Soldatenleichen bergen und sieben Gefangene machen konnten. Am nächsten Tag haben sie einen Fahrer der Regierung gezwungen, die Leichen zur Armee zu bringen. Daraufhin haben die Militärs die Stadt unter Beschuss genommen, es gab 30 Tote.
    Auf demselben Telefon ein Foto von Zarqawi mit Osama bin Laden. Raed: »Wo sind wir denn hier gelandet?« Sie lachen: »Wir mögen sie halt gerne.«
    Auch Filme von ihren schahids , nackt, nur das Geschlecht bedeckt. Großaufnahmen von den Wunden. Zurschaustellung des Märtyrerkörpers.
     
    Die Offiziere sprechen weiter: Die katiba schreitet nur selten ein. Sie haben die Kontrolle über Qusair; die Straßensperren haben sich verschanzt, sie lassen sie in Ruhe. Sie greifen nur bei Operationen der Armee an, wenn diese ein Manöver versucht. Die Armee kann keine Leute mehr verhaften, außer sie wagt einen massiven Einfall.
    Vor zwei Monaten ist es der FSA gelungen, das Rathaus einzunehmen, aber die Armee kam zurück und warf sie wieder raus. Seit zwei Wochen haben sie eine Einigung mit dem Offizier, der das Rathaus kommandiert. Aus Angst vor einem neuen Angriff schießen seine Scharfschützen nicht mehr. Die FSA kann mit ihren Pick-ups unbehelligt vorbeifahren, die Militärs sehen sie, schießen aber nicht.
     
    Hier hat niemand sein Überlaufen offiziell verkündet. Sie leben zu Hause oder wollen dahin zurückkehren können, sie wollen nicht, dass ihre Familien Probleme bekommen. Daher die Vermummung.
     
    Zahlreiche Deserteure, die sich einzeln oder in Gruppen der FSA anschließen, lassen sich mit unverdecktem Gesicht filmen und halten ihre Armeeausweise hoch; diese Filme werden anschließend auf YouTube gestellt, als Beweise für das Sinken der Moral innerhalb der Armee und für das Erstarken der FSA.
     
    Ein Soldat erzählt: Er war raqib 20 in Deraa, an der Spitze einer kleinen Einheit der Armee. Er hat an einem Massaker an elf Zivilisten bei Laraa, in der Nähe von Deraa, teilgenommen. Der naqib Manhall Sliman hat das Massaker befohlen, zusammen mit dem naqib Randi. Er berichtet, dass nur die beiden Offiziere geschossen haben, alleine, ohne das von den Soldaten zu verlangen. Keine Sicherheitskräfte dabei. Unter den Opfern ein elfjähriger Junge.
    In Dazil hatte die Armee die Stadt mit 200 Panzern eingekesselt, es gab den Befehl, auf alle Fahrzeuge zu schießen, die aus der Stadt herausfuhren, während die Sicherheitskräfte und die schabbiha in der Stadt
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