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Notizen aus Homs (German Edition)

Notizen aus Homs (German Edition)

Titel: Notizen aus Homs (German Edition)
Autoren: Jonathan Littell
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auf der Straße das Notizbuch zücken. Die Leute werden sofort paranoid.
     
    *
     
    20.15 Uhr. Wir machen einen nächtlichen Ausflug auf einen Bauernhof außerhalb von Qusair, auf dem Land, wo wir einen Offizier treffen sollen. Ein junger Typ begrüßt uns lächelnd im Empfangszimmer; er ist 17 Jahre alt und der FSA behilflich, beteiligt sich aber nicht an den Aktionen.
    Der Junge zählt Kugeln, während wir warten. 9-mm-Patronen und Munition in israelischen Kisten, 200 Kartuschen mit 7,62-mm-Patronengürteln für Maschinengewehre, mit einer Leuchtspurpatrone alle fünf Schüsse.
     
    Schüsse in der Nacht, die doschka eines BTR 13 neben dem Krankenhaus. Einige Salven.
     
    Raed spricht mit Dem Zorn über die Fahrt über die Grenze. Der Zorn erklärt, dass er unseretwegen den Minivan der Libanesen genommen hat. Normalerweise nimmt er den Bus. Das hat sie mehrere hundert Dollar gekostet. Aber er lehnt ab, als wir ihm das Geld wiedergeben wollen.
     
    Diskussion über Waffenpreise. Der Zorn: Ein RPG kostet 2500 Dollar (inklusive Transport); eine Rakete 650 Dollar. Eine Kalaschnikow, eine Russi , wie sie hier genannt wird, 1800 Dollar. Ein 60-mm-Mörser 4500 Dollar, eine 60-mm-Mörsergranate 150 Dollar. Ein 80-mm-Mörser 7500 Dollar.
    Die FSA erbeutet einen Großteil ihrer Munition bei ihren Angriffen. Sie hat wenig Geld. Manchmal geben sympathisierende Soldaten aus der regulären Armee ihnen etwas Munition. Manchmal kauft die FSA ihnen welche ab, aber das ist selten.
     
    Der Zorn glaubt, dass das Regime nicht auf friedliche Weise zu Fall gebracht werden kann. Es muss mit Gewalt gestürzt werden. Die Zahl der Deserteure nimmt zu. Er schätzt die Zahl der Deserteure im Gebiet von Homs auf 10 000.
     
    Der Zorn wird gesucht. Die FSA hat Listen von den mukhabarat gekauft, sein Name steht drauf. Er ist 28 Jahre alt. Vorher war er Tischler. Im Jahr 2010 hat er die kleine Haddsch absolviert, er zeigt mir die jordanischen und saudischen Visa in seinem Pass. Er war Junggeselle und wollte kurz vor Beginn der Unruhen heiraten. Er hatte die Wahl: Revolution oder Hochzeit. Jetzt ist er die ganze Zeit unterwegs. Er tut es nicht wegen des Geldes (seine Familie ist wohlhabend), er ist kein Schmuggler. Er schleust für die FSA Journalisten, Verwundete, medizinisches Material etc.
    Zu Anfang hat er nur demonstriert, aber nach vier Monaten hatte er genug davon, zuzusehen, wie die Demonstranten abgeknallt werden. Im Juli, als einer der ersten höheren Offiziere, der muqaddam 14 Hussein Harmusch, überlief und die ersten katibas der FSA gründete, wurde er Schleuser.
     
    Hussein Harmusch, der in die Türkei geflohen war, wurde dort im August entführt und tauchte im syrischen Fernsehen wieder auf, wo er die üblichen Schuldeingeständnisse machte: Er habe Geld aus dem Ausland erhalten etc. Er soll einigen Quellen zufolge Ende Januar vom Nachrichtendienst der Luftwaffe hingerichtet worden sein, nachdem die FSA versucht hatte, ihn gegen mutmaßliche iranische Agenten auszutauschen, die in Homs gefangen genommen worden waren.
     
    Wir trinken aus Argentinien importierten Mate. Der ist hier sehr verbreitet. Der Offizier kommt nicht, und schließlich kehren wir nach Qusair zurück, um die Nacht bei Abu Amar zu verbringen.

 
    Mittwoch, 18. Januar
    Qusair
     
     
    In dem Augenblick, in dem wir uns schlafen legen, erklärt uns Der Zorn oder unser Gastgeber, ich erinnere mich nicht mehr genau, dass die FSA vorhabe, in dieser Nacht Stellungen der Armee anzugreifen; die Antwort werde sicher heftig ausfallen, Beschuss der Stadt und vielleicht ein Einfall und Hausdurchsuchungen: Wir müssen uns bereithalten, damit wir jeden Moment verschwinden können.
     
    Die Nacht ist schließlich ruhig, abgesehen von den Kalaschnikow-Salven, die von den Posten rund um das Krankenhaus abgefeuert werden, in die Luft und auf die Nachbarhäuser, zur Einschüchterung der Leute, wie es scheint. Der geplante Angriff hat nicht stattgefunden, auch nicht unsere in Aussicht gestellte Evakuierung, wir konnten durchschlafen. Gegen 3 oder 4 Uhr gab es wieder Strom, und alle Neonröhren gingen an. Da ich als Einziger wach war, habe ich sie ausgeschaltet.
    Schwere Träume, sehr komplex, ich treffe schüchtern Michel Foucault, der nicht in der allerbesten Verfassung, aber noch am Leben ist, und versuche, ein Mittagessen mit ihm zu organisieren. Die Betonritzen in den Straßen sind voller Münzen, darunter sogar 2-Euro-Stücke. An der Uni habe ich einen Swimmingpool, aber ich
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