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Notizen aus Homs (German Edition)

Notizen aus Homs (German Edition)

Titel: Notizen aus Homs (German Edition)
Autoren: Jonathan Littell
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Meter Entfernung am Checkpoint vorbei, den Der Zorn mir lachend zeigt. Wir erreichen Qusair, eine Stadt mit 70 000 Einwohnern, zweigeschossigen Häusern aus bröckeligem Beton, die in verwaschenen Pastellfarben angestrichen sind. Regen, Fußgänger, Motorradfahrer. Im Zickzack fahren wir durch die Gassen zum Haus des Schleusers. Es ist 14 Uhr, wir haben von Tripoli 6 1/2 Stunden gebraucht.
     
    Wir sind doch nicht bei Dem Zorn, sondern bei einem Freund von ihm, Abu Amar. Kleines Empfangszimmer, ein Computer mit Drucker, Ölofen. Mehrere Personen sind da, wir bekommen Tee und Kuchen. Ein Typ mit einer Kalaschnikow taucht auf; dieses Viertel ist »befreit«. Ein Lautsprecher der Moschee setzt ein: Am Morgen haben sie zwei in Homs getötete Märtyrer begraben und nach dem Nachmittagsgebet, verkündet der Imam, werden sie einen dritten begraben. Diskussion, ob wir da hingehen können. Sie wollen nicht, weil Beerdigungen zu Demonstrationen eskalieren können und dann die Armee anfangen könnte zu schießen; außerdem haben sie Angst, mit uns zu viel Aufmerksamkeit zu erregen.
     
    Weitere Erkundigungen ergeben, dass der Tote bereits bestattet ist. Er hieß Ahmad I. und war über 50 Jahre alt. Um Zwischenfälle zu vermeiden, begraben die Familien ihre Toten manchmal schon vor der Ankündigung des Imam.
    Die drei Männer wurden zusammen in Homs getötet, in Kammas, einem regierungstreuen Viertel. Eine Gruppe von schabbiha ist in einen Supermarkt des Sakan-al-Schabbab-Komplexes gegangen, wo sie arbeiteten, und hat sie exekutiert, einfach nur, weil sie aus Qusair stammten. Die anderen beiden waren 25 und 30 Jahre alt und hießen Rasul I. und Mohammad H. Rasul ist ein Verwandter von Ahmad.
    In der Ferne einige Schüsse. Zur Abschreckung wegen der bevorstehenden Demonstration?
     
    *
     
    Das öffentliche Krankenhaus von Qusair, das in der Nähe des Friedhofs liegt, ist von den Sicherheitskräften besetzt. Scharfschützen auf dem Dach.
     
    Besuch einer Untergrund-Krankenstation in einem Privathaus. Einfache Ausstattung, Spritzen, Kochsalzlösungen, Kompressen. Das Material wird von Familien und Apotheken gespendet. Auf dem Teppichboden Plastikfolie, wegen des Bluts?
    Der Arzt, der hier arbeitete, Abderrahim Amir, wurde vor zwei Monaten in Rastan getötet. Er wurde von den militärischen mukhabarat in einem Gesundheitszentrum erwischt und exekutiert. Ein paar Krankenpfleger wurden verhaftet. Hier sind noch ein Arzt und ein Pfleger übrig. Es ist die einzige Krankenstation der Stadt; eine andere befindet sich zwölf Kilometer entfernt, auf der anderen Seite des Flusses, in einem Zelt.
    Nur Erste Hilfe. Die Menschen sterben hier an einfachen Verletzungen, an Blutverlust. Sie versuchen, die Schwerverletzten in den Libanon zu evakuieren, aber das ist schwierig. Sie nehmen ein bis zwei Verletzte am Tag auf, die während der Demonstrationen oder abends durch Kugeln verwundet wurden. Es gibt eine inoffizielle Ausgangssperre, und nachts schießen die Scharfschützen auf die Leute. Verwundungen hauptsächlich in der oberen Körperhälfte, Brustkorb, Kopf. Außerdem Leute, die aus den Gefängnissen kommen, gefoltert, mit Knochenbrüchen.
     
    *
     
    Zentrum des Viertels. Junge Männer versammeln sich zur Demonstration. Revolutionsfahne, schwarz, weiß und grün mit drei roten Sternen. Ein oder zwei Typen mit Kalaschnikow halten Wache. Das Viertel wird von der FSA geschützt. Die Armee kommt hier nicht rein, aber sie schießt vom Krankenhaus und vom Rathaus aus.
     
    Freie Syrische Armee: al-dschaisch as-suri al-hurr .
    Reguläre Armee: al-dschaisch al-assadi , »die Assad-Armee«.
     
    Wir kommen dicht am Rathaus vorbei. Großes Gebäude im sowjetischen Stil, vier Stockwerke mit blauverspiegelten Fensterscheiben, alle eingeschlagen. Die FSA hat versucht, es anzugreifen, aber ohne Erfolg, es war zu gut befestigt. Die RPGs 9 richteten nichts aus, und man wollte keine Mörser einsetzen, weil das Rathaus von Wohnhäusern umgeben ist. Auf dem Dach und in den Stockwerken Scharfschützennester. Wir gehen eine lange Straße entlang wieder direkt auf das Rathaus zu. Im Prinzip schießen die Scharfschützen nur nachts. Jetzt ist alles ruhig.
    Etwas weiter ein Garten, der als Friedhof für die schahids dient. Die Beerdigungen auf dem regulären Friedhof wurden zu gefährlich, die Armee schoss regelmäßig auf die Demonstrationen, die sich dort formierten.
     
    *
     
    16 Uhr. Ein Alter stirbt einen friedlichen Tod, er wird ziemlich bald beerdigt
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