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Nore Brand 03 - Racheläuten

Nore Brand 03 - Racheläuten

Titel: Nore Brand 03 - Racheläuten
Autoren: Marijke Schnyder
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der Mensch.«
    Was hatte ihn bloß gepackt?
    Sein Pathos war unerträglich, aber die Runde nickte beeindruckt, und der Chef hob die Sitzung auf; er konnte nicht mehr weitersprechen. Eine plötzliche Gefühlsaufwallung raubte ihm die Sprache. Er schnäuzte sich mit Inbrunst, was bedeuten sollte, dass es solchen Worten nichts beizufügen gab.
    Womit er recht hatte. Aber es waren eben nur Worte. Wenn sie noch so wirkungsvoll waren.
    Sie würde den Chef an seine Worte erinnern, wenn sie seine Anweisung in den Wind schlug. »Der Mensch und nur der Mensch.«

    Nore Brand atmete aus. »Julius«, sagte sie, »du gehst jetzt in die Schule, und ich gehe zu Wilmas Mutter. Vielleicht hat sie sich einfach nur verschlafen.«
    Julius schien erleichtert, er drehte sich um und rannte los. Unter dem hüpfenden Schulranzen war die Nummer 11 zu sehen.
    Deshalb also die seltsam steife Frisur dieses Kindes. Auch wer nur die Sportseiten der Tageszeitung las, fand Antworten auf die merkwürdigsten Phänomene des Lebens.
    Sie war plötzlich ganz ruhig. Das Schicksal hatte ihr sozusagen einen Fall vor die Tür gestellt.
    Ein Fall ließ sich nie aufschieben. Fortbildung schon.

    Das Backsteinhaus, in dem Wilma und ihre Mutter wohnten, lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
    Über der Klingel stand ›Henriette und Wilma Fink‹. Sie bewohnten offenbar die linke Wohnung im Erdgeschoss. Ein frisch renoviertes Jugendstilhaus. Die Miete musste horrend hoch sein.
    Nore Brand klingelte kurz. Normalerweise genügte das. Doch es regte sich nichts.
    Sie trat einen Schritt zurück und versuchte, durch ein Fenster zu schauen. Ohne Erfolg. Die hellen Vorhänge waren dicht.
    Sie klingelte länger und wartete. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, begann sie die Frau hinter der geschlossenen Tür anzusprechen. Vielleicht erreichten ihre Worte diese Frau auf irgendwelchen geheimnisvollen Wegen. Ich weiß, du bist zu Hause. Mach auf, dann können wir die Sache klären. Es nützt dir nichts, drinnen unbeweglich zu warten und zu hoffen, dass ich abziehe. Aber du kennst mich nicht, denn du hast noch nie mit mir zu tun gehabt. Ich werde nicht gehen, weil ich weiß, dass du da bist und so weiter.

    Nore Brand klingelte wieder. Sie konnte sich nicht täuschen. Wilmas Mutter war zu Hause. Nore Brand klingelte wie jemand, der nicht aufgeben wird.
    Endlich knisterte es in der Gegensprechanlage.
    Sie hörte eine Frauenstimme aus großer Ferne, dabei war sie nur hinter diesen Hausmauern. Vielleicht vier Meter entfernt. Die Stimme sagte etwas. Nore Brand verstand nicht. Plötzlich war es wieder still, dann ein leises Knistern. Nore Brand lehnte sich an die Haustür.
    »Darf ich Sie kurz sprechen? Es ist wegen Dominik, der Schildkröte.«
    Es knisterte wiederum, endlich ging der Summer. Nore Brand stieß die Tür rasch auf. Die Frau könnte es sich nochmals überlegen.
    Dann stand sie im Treppenhaus und schaute um sich. Die Renovierung musste sehr teuer gewesen sein. Man hatte nichts herausgerissen, man hatte alles Alte instandgesetzt und auf Hochglanz gebracht. Das Holz roch wie frisch von der Schreinerei geliefert.
    Auf dem ersten Treppenabsatz blieb sie stehen und wartete. Hinter dem Milchglas bewegte sich eine Gestalt. Die Tür ging auf.
    »Guten Morgen«, grüßte die Frau. Es war zweifellos die Mutter von Wilma, es waren dieselben Augen. Sie hatte ihren hübschen Schädel frisch geschoren. Die Jeans spannten sich über die Hüftknochen, dann war eine Handbreit nichts, und dann kam ein dünnes Hemdchen.
    Irgendwo versteckten sich sicher Piercings. Aber das musste man nicht so genau wissen. Sie blieb auf der Schwelle stehen, als ob sie ihre Wohnung verteidigen müsste.
    »Sie kommen wegen der Schildkröte?«, fragte Wilmas Mutter.
    Sie schien es schon zu bereuen, dass sie die Türe geöffnet hatte.
    Nore Brand nickte. »Wilma hat mich am Samstag gebeten, ihr bei der Suche zu helfen.«
    Die Frau lächelte. »Das haben Sie aber nicht, oder?« Natürlich war diese Frau im Bild. »Wilma hat Dominik am Samstagnachmittag im Garten gefunden.«
    »Schön«, sagte Nore Brand.
    Wilmas Mutter schaute sie aufmerksam an, dann schüttelte sie den Kopf. »Dass sich die Polizei um Schildkröten kümmert, das hätte ich sowieso nie gedacht. Wilma war da anderer Meinung.«
    »Manchmal sind solche Sachen ein Hinweis auf etwas anderes«, erwiderte Nore Brand.
    Das Gesicht der Frau veränderte sich. »Etwas anderes?«, wiederholte sie, »was meinen Sie damit?«
    Nore Brand wehrte
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