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Nordmord

Titel: Nordmord
Autoren: authors_sort
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soll es
mal zwei Brüder gegeben haben. Der eine klein und arm und der andere groß und
reich. Der kleinere der Brüder hatte im Wald Räuber beobachtet, die eine
Klippe, in der viel Geld versteckt war, mit ›Sesam, tue dich auf!‹ öffneten.
Als die Räuber wieder verschwunden waren, ging er zu der Klippe und sprach: »›Sesam,
tue dich auf!‹« Drinnen füllte er seinen Sack mit Geld. Leider erzählte er
seinem Bruder davon. Der ritt gleich mit sechs Eseln zu der Klippe. Den Rat
seines kleinen Bruders, sich aufzuschreiben, was er zu der Klippe zu sagen
hatte, missachtete er. »›Sesam, tue dich auf!‹«, sprach er, um die Klippe zu
öffnen, und füllte im Inneren seine Säcke randvoll mit Geld. Als er allerdings
die Klippe wieder verlassen wollte, hatte er vergessen, welchen Spruch er zum
Öffnen der Klippe verwandt hatte. Als die Räuber zurückkamen, ermordeten sie
ihn. Das hatte er eben von seiner Vermessenheit und Habsucht!«
    »Na, übertreibst du nicht ein bisschen?«
    »Ich finde, das ist ein sehr lehrreiches Märchen.«

     
    Marlene legte enttäuscht den Hörer auf die Gabel
des schwarzen Tastentelefons. Sie hatte die Liste nun schon beinahe
abtelefoniert. Über die Hälfte der Leute hatte sie jedoch nicht erreicht.
Selbst Heikes Exfreund hatte sie angerufen. Aber laut ihm hatten er und Heike
seit der Trennung keinerlei Kontakt mehr gehabt. Die gescheiterte Beziehung war
mit ein Grund für Heikes Umzug nach Niebüll gewesen. Natürlich war zunächst der
Job ausschlaggebend gewesen, aber sie war auch froh darüber gewesen, dass sie
eine Stelle 200 Kilometer entfernt von ihrem Ex gefunden hatte. Hier erinnerte
sie wenigstens nicht die Umgebung ständig an ihn und es bestand auch nicht die
Gefahr, ihm überraschend auf der Straße zu begegnen.
    Marlene überlegte, ob sie nicht doch Heikes Mutter anrufen
sollte. Eigentlich wollte sie diese nicht unnötig beunruhigen. Heikes Schwester
hatte gesagt, dass sie gestern mit der Mutter telefoniert hatte. Von Heike sei
allerdings nicht die Rede gewesen. Wenn die Tochter jedoch zu Besuch gewesen
wäre, hätte ihre Mutter das ganz bestimmt während des Telefonats erwähnt. Marlene
nagte nachdenklich an ihrer Unterlippe.
    Plötzlich klingelte das Telefon. Eilig nahm sie den Hörer ab.
    »Hallo?«
    »Frau Andresen?«
    »Nein, ich bin Marlene
Schumann. Eine Freundin.«
    »Oh.«
    Der Anrufer war offensichtlich überrascht. Anscheinend hatte
er nicht damit gerechnet, dass jemand abnehmen würde. Und schon gar nicht eine
fremde Person.
    Marlene unterbrach das überraschte Schweigen.
    »Mit wem spreche ich denn?«
    Der Anrufer räusperte sich.
    »Ich bin Professor Voronin. Der Vorgesetzte von Frau
Andresen. Ich muss sie dringend sprechen!«
    »Das tut mir leid. Aber meine Freundin ist nicht da. Hat sie
sich denn immer noch nicht in der Klinik gemeldet?«
    »Nein, aber allmählich sollte sie das tun! Ich wollte ihr
eigentlich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, aber nun kann
ich es auch Ihnen sagen. Ihre Freundin sollte schnellstens im Krankenhaus
auftauchen, sonst kann sie ihren Job vergessen! Auf Wiederhören!«
    Ohne eine Reaktion abzuwarten, legte der Professor auf. Sie
blickte verdutzt auf den Telefonhörer. Mit dem war nicht gut Kirschen essen.
Heike hatte nie etwas darüber erzählt, dass ihr Chef offenbar ein Tyrann war.
Überhaupt hatte sie sehr wenig von ihrem Job erzählt. Was, wenn ihr die Arbeit
doch nicht so viel Spaß gemacht hatte, wie Marlene angenommen hatte? Vielleicht
war ihr die Stelle im Krankenhaus egal und sie meldete sich deswegen nicht?
    Sie stand auf und trat ans Fenster.
    »Wo steckst du nur?«, murmelte sie leise vor sich hin.

7
    Sie parkten in einer Seitenstraße in der Nähe
vom Restaurant ›Einstein‹. Haie stieg aus und reckte sich so, als ob sie
mindestens eine Tagesreise hinter sich hätten.
    »Und nun?«
    »Jetzt schauen wir uns mal ein wenig um.«
    Tom schloss den Wagen ab, zog seine Jacke an und spazierte
die Straße entlang. Haie folgte ihm.
    »Sag mal, was meinst du denn, was mit dieser Heike ist?«
    Er hatte zu Tom aufgeschlossen. Der zuckte mit den Schultern.
    »Ein bisschen merkwürdig finde ich das schon. Dass sie den
Termin bei dem Kommissar nicht eingehalten hat – gut, vielleicht ist ihr etwas
dazwischengekommen. Aber dass sie die Verabredung mit Marlene hat sausen lassen
und sich nicht meldet, finde ich schon höchst seltsam. Also, entweder hat sie
einen
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