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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor
Autoren: Arnaldur Indriðason
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mit den dunklen Ringen unter den Augen ziemlich mitgenommen. Manchmal glaubte Erlendur, in ihren Zügen seine Mutter wiederzuerkennen. Er verfluchte Eva Linds Schicksal und gab seiner mangelnden Fürsorge die Schuld daran, wie weit es mit ihr gekommen war.
    »Ich habe heute mit Mama telefoniert oder sie mit mir. Sie wollte wissen, ob ich mit dir sprechen könnte. Super, wenn die Eltern geschieden sind.«
    »Will deine Mutter was von mir?«, fragte Erlendur verblüfft. Seine Ex-Frau hasste ihn auch nach zwanzig Jahren noch. Er war ihr in dieser ganzen Zeit nur ein einziges Mal begegnet, und die Feindseligkeit in ihrem Blick war nicht zu übersehen gewesen. Einmal hatte sie wegen Sindri Snær mit ihm telefoniert, und das war ein Gespräch, das er lieber vergessen wollte.
    »Sie ist eine total versnobte Zicke.«
    »Red nicht so über deine Mutter.«
    »Irgendwelche Bekannten in Garð abæ r, schweinisch reich, haben am Wochenende ihre Tochter verheiratet, und die ist dann einfach von der Feier verschwunden. Echt peinlich. Das war am Samstag, und seitdem hat sie sich nicht gemeldet. Mama war auf der Hochzeit und ist total schockiert. Ich soll fragen, ob du mal mit den Leuten reden könntest. Sie wollen keine Suchmeldungen in die Zeitungen setzen oder so was, das versnobte Pack, aber sie wissen, dass du bei der Kripo bist und glauben, dass sie so alles unter den Teppich kehren können. Ich, nicht Mama, will, dass du mit den Typen sprichst. Nicht Mama. Verstehst du? Nie!«
    »Kennst du die Leute?«
    »Auf jeden Fall bin ich nicht zu der Hochzeit eingeladen worden, von der die süße Kleine sich verpisst hat.«
    »Und das Mädchen?«
    »Ein bisschen.«
    »Und wohin ist sie abgehauen?«
    »Keine Ahnung.«
    Erlendur zuckte die Achseln.
    »Ich habe vorhin an dich gedacht«, sagte er.
    »Wie rührend«, sagte Eva Lind. »Ich habe gerade überlegt, ob …«
    »Ich habe kein Geld«, sagte Erlendur und setzte sich ihr gegenüber in den Fernsehsessel. »Hast du Hunger?«
    Eva Lind wurde kratzbürstig.
    »Warum kann ich nie mit dir sprechen, ohne dass du anfängst, von Geld zu reden?«, sagte sie, und Erlendur kam es so vor, als hätte sie ihm einen Satz geklaut.
    »Und warum kann ich nie mit dir sprechen, Punkt?«
    »Ach, wichs dir doch einen ab.«
    »Warum sagst du so was? Was soll das? Wichs dir einen ab. Alles senkrecht, Alter. Was ist denn das für eine Art zu reden?«
    »Dschiiises«, stöhnte Eva Lind.
    »Wer bist du jetzt? Mit wem rede ich? Und wo bist du selbst in dieser ganzen Drogenscheiße?«
    »Fang bloß nicht wieder mit diesem idiotischen Gesülze an. Wer bist du jetzt?«, äffte sie ihn nach. »Wo bist du denn selbst? Ich bin hier. Ich sitze vor dir. Ich bin ich!«
    »Eva.«
    »Zehntausend!«, sagte sie. »Was ist los? Willst du keine Zehntausend für mich rausrücken? Du hast doch genug von dem Scheißgeld.«
    Erlendur schaute seine Tochter an. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr, das hatte er sofort bemerkt, als sie hereinkam. Sie war kurzatmig, und der Schweiß perlte ihr von der Stirn. Sie zappelte auf dem Sitz hin und her, als ginge es ihr nicht gut.
    »Fehlt dir was?«
    »Mir geht’s prima. Mir fehlt bloß ein bisschen Kleingeld. Pliiis, stell dich nicht so an.«
    »Fehlt dir was?«
    »Please.«
    Erlendur schaute seine Tochter an.
    »Versuchst du aufzuhören?«, sagte er.
    »Please, zehntausend. Das ist doch überhaupt nichts. Auf jeden Fall nicht für dich. Ich werde auch nie mehr wiederkommen und dich um Geld bitten.«
    »Ja, bestimmt. Wie lange ist es her, seit du …« Erlendur wusste nicht genau, wie er das formulieren sollte. »… dir Stoff reingezogen hast?«
    »Spielt doch keine Rolle. Ich habe aufgehört. Habe aufgehört aufzuhören damit aufzuhören aufzuhören damit aufzuhören aufzuhören.« Eva Lind war aufgestanden. »Gib mir die zehntausend. Fünf. Hast du die nicht in der Tasche? Fünf! Das sind doch Peanuts.«
    »Warum versuchst du jetzt aufzuhören?«
    Eva Lind schaute ihren Vater an.
    »Keine idiotischen Fragen. Ich bin nicht dabei aufzuhören. Womit aufhören? Womit soll ich aufhören? Hör du doch endlich mit diesem Blödsinn auf!«
    »Was ist eigentlich los? Warum bist du so aggressiv? Bist du krank?«
    »Ja, ich bin verdammt krank. Kannst du mir zehntausend leihen? Nur geliehen, ich zahle zurück, oder was? Pfennigfuchser.«
    »Pfennigfuchser ist ein schönes Wort«, sagte Erlendur. »Bist du krank, Eva?«
    »Warum musst du darauf rumreiten?«, sagte sie und regte sich noch mehr
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