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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Ärmste.«
    »Der stand unter Drogen«, stieß Birna hervor. »Der Ärmste?!« Sie wandte sich ihrer Schwester zu. »Manchmal hast du nicht alle Tassen im Schrank. Er stand unter Drogen. Ich habe ihm das an den Augen angesehen. Starre und glänzende Augen. Und er hat geschwitzt.«
    »Geschwitzt?«, fragte Erlendur.
    »Es triefte ihm nur so das Gesicht herunter, der Schweiß.«
    »Das war der Regen«, sagte Fjóla.
    »Nein. Und er hat auch am ganzen Leib gezittert.«
    »Der Regen«, wiederholte Fjóla, und Birna sah sie böse an.
    »Er hat dir eins über den Kopf gegeben, liebe Fjóla. Das war sicher nett gemeint.«
    »Spürst du immer noch, wo er dich getreten hat?«, fragte Fjóla und blickte Erlendur an, und es kam ihm ganz so vor, als tanzten ihre Augen vor Freude.
    Es war immer noch früh am Morgen, als Erlendur und Sigurður Óli nach Nordermoor kamen. Holbergs Nachbarn im Parterre und im ersten Stock warteten auf sie. Die Aussagen des Ehepaars mit den zwei Kindern in der Parterrewohnung waren zu Protokoll genommen worden, aber Erlendur wollte lieber noch einmal genauer mit ihnen sprechen. Im ersten Stock wohnte ein Pilot, der erklärte, dass er an dem Tag, als Holberg ermordet wurde, mittags von Boston zurückgekommen sei und sich nachmittags hingelegt habe. Aus diesem Tiefschlaf sei er erst erwacht, als die Polizei bei ihm klopfte.
    Sie fingen mit dem Piloten an. Er war um die vierzig, lebte allein, und in der Wohnung sah es aus wie in einem Müllcontainer. Klamotten überall verstreut, zwei Koffer auf einem ziemlich neuen Ledersofa, Plastiktüten aus dem Dutyfree-Laden auf dem Fußboden, Schnapsflaschen auf den Tischen und offene Bierdosen überall, wo man irgendetwas hinstellen konnte. Der Pilot selbst kam unrasiert zur Tür, in kurzen Hosen und Achselhemd. Schaute die beiden an, ging dann ohne ein Wort zu sagen wieder in die Wohnung und warf sich in einen Sessel. Sie blieben vor ihm stehen, denn mehr Sitzplätze gab es nicht. Erlendur schaute sich um und dachte bei sich, dass er sich mit diesem Mann nicht einmal in einen Flugsimulator setzen würde.
    Aus irgendwelchen Gründen begann der Pilot über seine Scheidung zu sprechen, die gerade über die Bühne ging und angeblich schon fast kriminell war. Das Weibsstück war fremdgegangen. Er als Pilot immer unterwegs. Kam eines Tages aus Oslo zurück, dieser grässlichen Stadt, fügte er hinzu, und sie wussten nicht, was er grässlicher fand, die Seitensprünge seiner Frau oder die Tatsache, dass er in Oslo übernachten musste. War da mit einem alten Schulkameraden gewesen …
    »Wir sind hier wegen des Mordes, der hier im Souterrain begangen wurde«, unterbrach Erlendur den unartikulierten Bericht des Piloten.
    »Seid ihr schon mal in Oslo gewesen?«, fragte der Pilot.
    »Nein«, sagte Erlendur. »Wir haben auch nicht vor, über Oslo zu sprechen.«
    Der Pilot schaute ihn an und dann Sigurður Óli, und auf einmal schien er sich zu besinnen.
    »Ich habe den Mann überhaupt nicht gekannt«, sagte er. »Ich habe diese Bruchbude vor vier Monaten gekauft, und davor hat sie meines Wissens lange Zeit leer gestanden. Habe ihn ein paarmal getroffen, hier direkt vor der Tür. Er schien soweit in Ordnung zu sein.«
    »In Ordnung?«, sagte Erlendur.
    »Ganz normal, wenn man mit ihm sprach, meine ich.«
    »Über was habt ihr gesprochen?«
    »Fliegen. Er hat sich sehr fürs Fliegen interessiert.«
    »Inwiefern fürs Fliegen interessiert?«
    »Die Maschinen«, sagte der Pilot und öffnete eine Bierdose, die er aus der Plastiktüte gefischt hatte. »Die Städte«, sagte er und schlürfte das Bier in sich hinein. »Die Stewardessen«, sagte er und rülpste. »Hat viel nach den Stewardessen gefragt. Ihr wisst schon.«
    »Nein«, sagte Erlendur.
    »Bei den Stopps. Im Ausland.«
    »Ja.«
    »Was sich da abspielt, ob sie gut drauf wären. So in der Art. Hatte gehört, dass da richtig was abgeht. Bei internationalen Flügen.«
    »Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«, fragte Sigurður Óli.
    Der Pilot dachte nach. Konnte sich nicht erinnern.
    »Es ist schon einige Tage her«, sagte er schließlich.
    »Hast du bemerkt, ob er in der letzten Zeit Besuch bekommen hat?«, fragte Erlendur.
    »Nein, ich bin nicht viel zu Hause.«
    »Hast du vielleicht jemanden hier in der Gegend herumschnüffeln sehen, als würde er nach etwas Ausschau halten oder hier irgendwie ziellos durch die Straßen schleichen?«
    »Nein.«
    »In einem grünen Militärparka?«
    »Nein.«
    »Ein junger Mann in
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