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Noras großer Traum (German Edition)

Noras großer Traum (German Edition)

Titel: Noras großer Traum (German Edition)
Autoren: Christin Busch
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sollte, erinnerte sich aber an einen Sommerausflug zu Alexander und Patrick, bei dem sie gemeinsam durch den Stadtwald Hannovers, die Eilenriede, gelaufen und schließlich im Zoo gelandet waren, dessen relativ neue Attraktionen besonders Niklas und Marie begeistert hatten. Ein wenig Bewegung täte ihm sicher gut und würde ihm helfen, einen klaren Kopf zu bekommen.
    Nach einigen Minuten lenkte er den Wagen auf einen Parkplatz. In zügigem Tempo ging er denselben Weg wie im Sommer mit seiner Familie. Sein Blick glitt von dem Wanderweg zu den Bäumen. Alles sah so vollkommen anders aus als beim letzten Mal. Die Eichen hatten ihr Laub verloren, das nun in rostigen Brauntönen den Waldboden bedeckte und vom Wind knisternd über den Weg gefegt wurde. An den kahlen Sträuchern taute der Raureif, und vergeblich suchte er nach einem grünen Farbtupfer. Als sie im Sommer hier gewesen waren, war es ihm vorgekommen, als wäre man in eine lichte grüne Höhle eingetaucht. Grün in allen vorhandenen Schattierungen hatte sie umgeben, selbst unter den Eichen hatten Millionen von Buschwindröschen den Anschein erweckt, als wären grün-weiße Teppiche ausgelegt worden.
    Er seufzte. Nun ja, das heutige Bild passte wohl eher zu seiner Stimmung. Erstaunt stellte er fest, dass er bereits den Zoo erreicht hatte. Zögernd überlegte er, ob er hineingehen sollte; noch nie hatte er einen Tierpark allein besucht. Die Vorstellung kam ihm irgendwie seltsam vor. Einige Mütter und in der Regel wohl Großeltern gingen mit dick eingepackten Kleinkindern in Sportkarren und Kinderwagen vorüber.
    Gerade hatte offenbar eine Schulklasse an der Ampel die Straße überquert und steuerte ebenfalls auf den Eingang zu. Unwillkürlich glitten seine Augen über die lachenden Kindergesichter. Sie mussten etwa in Maries Alter sein. Ein Gefühl der Trauer überschattete seine Beobachtungen, als er sich bewusst machte, dass er seine Kinder nicht mehr so oft sehen würde, wie er wollte. Sollte es zu einer endgültigen Trennung kommen, würde er sie wahrscheinlich jedes zweite Wochenende für sich haben. Er wusste das von seinen geschiedenen Kollegen. Das Verhältnis zu seinen Kindern würde sich dadurch bestimmt verändern. Wie oft hatte er sich über die offensichtlichen Wochenend-Väter lustig gemacht, die wahrscheinlich in dem verzweifelten Bemühen, im Leben ihrer Kinder noch eine Rolle zu spielen, diese an den Wochenenden mit teuren Geschenken, Ausflügen und Riesen-Eisbechern überschütteten! Angewidert verzog er das Gesicht. Ihm war kalt geworden. Es wurde Zeit, wieder in Bewegung zu kommen. Irgendetwas musste er schließlich tun, und nach einem Stadtbummel stand ihm noch weniger der Sinn. Er griff nach seiner Brieftasche und bezahlte den erschreckend hohen Eintrittspreis, ohne daran einen Gedanken zu verschwenden.

30
    N ora hatte die Kinder am frühen Nachmittag bei ihren Freunden abgesetzt und war in die Stadt gefahren. Sie wollte bewusst nicht den ganzen Nachmittag zu Hause sein. Es war schon schlimm genug, dass sie nachts kaum in den Schlaf fand. Jetzt, am Tage, war sie nicht mehr bereit, auch diese Stunden mit quälendem Nachdenken zu verbringen. Sie musste sich ablenken.
    Ziellos und ein wenig verloren ging sie kurz darauf zwischen den Geschäften entlang. Nach einer Weile war sie wie von allein bei ihrer Lieblingsbuchhandlung gelandet. Eigentlich war das typisch für sie. Nora liebte Bücher. Schon in ihrer Schulzeit hatte sie sich kaum etwas Schöneres vorstellen können, als im Sommer mit einem dicken Wälzer auf einer Decke im Garten ihrer Eltern oder im Urlaub am Strand zu liegen und einfach über die im Buch erzählte Geschichte in eine andere Welt abzutauchen. Bücher waren für sie etwas Besonderes, sie konnten Ratgeber sein, Wissen vermitteln, Ablenkung und Freude bieten oder Nachdenklichkeit hervorrufen. Schon als Niklas und Marie kaum laufen konnten, hatte sie begonnen, diese Liebe zu Büchern an sie weiterzugeben. Es war zu einem abendlichen Ritual geworden, gemeinsam erst die Bilderbücher zu entdecken und später Geschichten zu lesen. Es hatte ihr immer gefallen, über diese abendliche halbe Lesestunde die Nähe zu ihren Kindern zu vertiefen. Denn automatisch hatten sie sich über die jeweilige Geschichte hinaus immer noch ein wenig unterhalten und den Tag Revue passieren lassen.
    Nora hatte gedankenverloren vor dem Schaufenster gestanden, bevor sie jetzt hineinging. Im Geschäft schlug ihr die Heizungswärme derart entgegen, dass
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