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Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts
Autoren: Eine Frage der Liebe
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zerschrammte Klavier, das seine Mutter wie einen Schatz hortete,
nur noch zum Einheizen gut, dachte er und wandte sich achselzuckend ab, um das
nächste Zimmer in Augenschein zu nehmen.
    Die
Bibliothek. Umgeben von dem Duft nach altem Leder und Staub betrachtete er die
größte private Buchsammlung, die er je gesehen hatte. Zum ersten Mal seit er
Dodsons Büro betreten hatte, heiterte sich Slades Stimmung ein wenig auf. Eine
rasche Bestandsaufnahme sagte ihm, dass die Bücher alle gelesen waren, aber
ohne jedes Konzept in den Regalen standen. Slade bestieg die zweistufige
Trittleiter und inspizierte die oberen Regalreihen. Ohne Konzept war noch untertrieben,
stellte er fest. Heilloses Durcheinander wäre der passendere Ausdruck gewesen.
Robert Burns neben Kurt Vonnegut ...
    Eine Menge
Arbeit, dachte er, die ihm sogar Spaß gemacht hätte, wenn sie der einzige Grund
seines Hierseins gewesen wäre. Er ließ den Blick über die langen Bücherreihen
wandern, ehe er abwesend einen Band herausnahm. Im Augenblick gab es in der
Sache Jessica Winslow nichts zu unternehmen, überlegte er, ehe er sich mit dem
Buch in einem der Ledersessel niederließ.
    Jessica bog in den Parkplatz neben ihrem
Laden ein und stellte erleichtert fest, dass er leer war. Sie hatte sich
verspätet, aber ihr Kunde ebenfalls. Oder, überlegte sie stirnrunzelnd, er
hatte das Warten satt gehabt und war wieder weggefahren. Mit einem halbherzigen
Fluch auf den Lippen schloss sie die Ladentür auf und eilte dann von einem
Schaufenster zum nächsten, um die Rollos hochsausen zu lassen. Immer noch im
Laufschritt ging sie ins Hinterzimmer, warf ihre Handtasehe in
eine Ecke, schnappte sich den Teekessel und füllte ihn mit Wasser. Im
Vorbeigehen begoss sie den welken Efeu, der im rückwärtigen Fenster ums
Überleben kämpfte, ehe sie den Kessel auf den Herd stellte. Auf halbem Weg
zurück in den Verkaufsraum machte sie kehrt und stellte die Herdplatte an.
Zufrieden seufzend setzte sie ihren Weg fort.
    Der
Verkaufsraum an sich war nicht sehr groß – aber so hatte sich Jessica einen
Laden auch nie vorgestellt. Gemütlich und intim sollte er sein, dachte sie, mit
ihrer persönlichen Note. Der Laden war für sie mehr als nur ein Ort des
Handels; er war ihre Berufung, ihre Liebe. Den geschäftlichen Teil – Rechnungen,
Ablage und Buchhaltung – erledigte sie sehr gewissenhaft. Ja, sie
konzentrierte ihre organisatorischen Fähigkeiten voll und ganz auf diesen
Laden, was wahrscheinlich der Grund dafür war, dass in ihren anderen
Lebensbereichen oft das reinste Chaos herrschte.
    Der Laden
war der Mittelpunkt ihres Lebens, und das schon von Anfang an. Ursprünglich war
sie auf der Suche nach etwas gewesen, das ihr Leben nach dem Abschluss des
College ausfüllte. Die Idee, einen Antiquitätenladen zu eröffnen, war langsam
herangereift und hatte sich dann rasch entwickelt. Jessica besaß zu viel
Willenskraft und Tatendrang, um ziellos in den Tag hineinzuleben. Nachdem sie
einmal beschlossen hatte, ein Geschäft zu eröffnen, hatte sie alles Nötige in
Windeseile in die Wege geleitet. Und genau dieser unbändige Tatendrang hatte
den Laden zum Florieren gebracht. Er warf Profit ab. Das Geld selbst bedeutete
ihr wenig, doch die Tatsache, dass es ihr Laden war, der dieses Geld
einbrachte, bedeutete ihr alles.
    Sechs
Monate war sie kreuz und quer durch New England gefahren, auf der Suche nach
geeigneten Stücken, und anschließend nach Europa. Ein großes Warenlager
anzuhäufen war nie ihr Ziel gewesen; sie setzte auf Exklusivität. Nach der
Eröffnung war der Ansturm eher bescheiden gewesen; meist kamen Freunde und die
Freunde von Freunden. Dass Winslows Tochter einen Laden aufgemacht hatte,
lockte zu Anfang zwangsläufig auch Schaulustige an. Aber das störte Jessica
nicht. Ein Kunde war ein Kunde, und ein zufriedener Kunde war die beste
Reklame.
    Die ersten
zwei Jahre hatte sie den Laden allein geführt. Dass ihr die Arbeit über den
Kopf wachsen könnte, hatte sie nie in Erwägung gezogen. Doch als es eines Tages
tatsächlich so weit war, hatte sie Michael Adams eingestellt, um die Einkäufe
in Übersee zu übernehmen. Er war liebenswürdig, verlässlich und kompetent. Die
weibliche Kundschaft verehrte ihn. Ganz allmählich hatte sich aus ihrer geschäftlichen
Beziehung eine Freundschaft entwickelt.
    Als der
Laden immer besser lief, hatte sie David Ryce angestellt. Er war fast noch ein
Bursche gewesen, der nicht recht wusste, was er mit sich anfangen sollte und
aus
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