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Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts
Autoren: Eine Frage der Liebe
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sah auf.
Sein Blick hielt sie fest. Jessica erschauderte unter diesem Blick, der ihre
Haut unwillkürlich zum Prickeln brachte. Sie schwelgte in dem Gefühl, genoss
es. Ohne es zu merken, verblasste ihr Lächeln zu einem Ausdruck der Verblüffung.
    Wer ist
dieser Mann?, fragte sie sich. Pure Neugier und eine Portion Kühnheit trieben
sie in den Raum hinein. Der Lichtkegel der Leselampe fiel auf sein Gesicht,
erhellte den Mund und umschattete die Augen. Diesmal fühlte sie sich in seiner
Gegenwart nicht sicher, sondern beunruhigt. Mutig schritt sie auf ihn zu.
    »Sie haben
das reinste Chaos hier«, meinte Slade schroff und warf
den Bleistift auf den Tisch. Es war besser, einen Angriff zu starten, als
weiter darüber nachzubrüten, wie schön sie war. »Wenn Sie Ihren Laden auch so
führen« – er machte eine ausholende Geste mit der Hand –, »dann grenzt es an
ein Wunder, dass Sie noch nicht bankrott sind.«
    Dieser
unverblümte Vorwurf lockerte die Verkrampfung in ihren Schultern. In seinem
Blick hatte nichts Persönliches gelegen, versicherte sie sich. »Ich weiß, es
ist schrecklich«, gab Jessica zu und lächelte wieder. »Ich hoffe nur, Sie
ergreifen nicht gleich die Flucht.« Vorsichtig lehnte sie sich mit der Hüfte an
den Tisch und griff nach dem nächst besten Buch. »Lieben Sie Herausforderungen,
Mr. Sladerman?«
    Sie lachte,
bemerkte er. Oder waren es nur ihre Augen? Jedenfalls lachte sie ganz
offensichtlich über sich selbst. Gegen seinen Willen musste er lächeln, als er
sich bemühte, sie ganz objektiv zu betrachten. Vielleicht war sie unschuldig –
vielleicht auch nicht. Slade teilte das blinde Vertrauen des Commissioners
nicht. Aber sie war eine schöne Frau und reizte ihn. Und dieser Reiz, entschied
Slade, war nicht leicht zu umgehen.
    Er atmete
langsam aus und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Hatte er eine Wahl?
»Ich werde gnädig darüber hinwegsehen, Miss Winslow ... Ich liebe nämlich
Bücher.«
    »Ich auch«,
begann sie und hielt inne, als sie wieder einer seiner kühlen, direkten Blicke
traf. »Ehrlich«, behauptete sie mit einem Lachen. »Ich bin leider nur nicht
sehr ordentlich. Wie ist es, kommen wir ins Geschäft, Mr. Sladerman?« Feierlich
streckte sie ihm die Hand entgegen.
    Die besah
er sich besser zuerst einmal. Zart und elegant, dachte er, wie ihr Name und
ihre Stimme. Mit einer stummen Verfluchung des Schicksals, das den Commissioner
zu ihrem Patenonkel bestimmt hatte, ergriff er ihre Hand. »Wir kommen ins
Geschäft, Miss Winslow.«
    Jessica
glitt von der Tischkante, ohne seine Hand freizugeben. Irgendwie hatte sie
gewusst, dass sie sich hart und stark anfühlen würde. »Was halten Sie von
gefüllten Koteletts?«
    Sie waren
zart und schmeckten ausgezeichnet. Slade aß drei Stück, um den ausgefallenen
Lunch wieder wettzuma chen. Dieser Fall, dachte er nach einem Stück
Käsekuchen, hatte zweifellos gewisse Vorteile gegenüber dem, den er gerade
abgewickelt hatte. Zwei Wochen hatte er sich mit kaltem Kaffee und schlappen
Sandwiches begnügen müssen. Obendrein war sein Partner längst nicht so eine
Augenweide gewesen wie diese Jessica Winslow. Mühelos hatte sie während des
Essens eine lockere Unterhaltung aufrechterhalten und geleitete ihn jetzt,
indem sie ihren Arm unter den seinen geschoben hatte, zurück in den Salon.
    »Setzen Sie
sich«, forderte sie ihn lächelnd auf. »Ich schenke uns einen Brandy ein.«
    Als er den
Raum durchquerte, fiel sein Blick auf den Sekretär. »Der stand heute Morgen
noch nicht da.«
    »Wie bitte?«
Mit der Brandykaraffe in der Hand blickte sie über die Schulter. »Oh, nein, der
ist erst heute Nachmittag geliefert worden. Kennen Sie sich aus mit
Antiquitäten?«
    »Nein.« Er
unterzog den Schreibtisch einer flüchtigen Betrachtung, ehe er sich auf einem
Stuhl niederließ. »Das überlasse ich Ihnen, Miss Winslow.«
    »Jessica.«
Sie schenkte ein zweites Glas ein und ging dann zu ihm hin. »Soll ich Sie James
oder Jim nennen?«
    »Slade«,
entgegnete er und nahm ihr ein Glas ab. »Selbst meine Mutter hat aufgehört,
mich Jim zu rufen, als ich zehn wurde.«
    »Sie haben
eine Mutter?«
    Die
unabsichtliche Verblüffung in ihrer Stimme entlockte ihm ein Grinsen. »Jeder
Mensch hat doch eine Mutter.«
    Jessica kam
sich dumm vor, als sie ihm gegenüber Platz nahm. »Schon, aber Sie vermitteln
irgendwie den Eindruck, als seien Sie in der Lage gewesen, die ganze
Angelegenheit ohne eine Mutter abzuwickeln.«
    Sie nippten
beide an ihrem Brandy,
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