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Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts
Autoren: Eine Frage der Liebe
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hohen
Wangenknochen, die ihm einen fast primitiven Touch verliehen. Indianischer Einschlag?
Wikinger?, fragte er sich. Keltisch? Ihre großen Augen hatten die Farbe von
altem Whiskey und lagen unter Brauen, die sich neugierig hoben. Dazwischen
erschien eine kaum sichtbare steile Falte. Eine Trotzfalte, stellte Slade fest.
Seine Schwester hatte auch so eine. Sie war klein, stellte er fest. Ihr Kopf
reichte ihm nur knapp bis an die Schulter. Ihr Duft hatte etwas Herbstliches –
Moschusartiges – Blüten und Rauch. Der Arm unter seiner Hand, der in einem
dünnen Wollblazer steckte, war schlank. Er spürte, wie er sich entzündete – er
als Mann für sie als Frau – und ließ hastig die Hand sinken.
    »Das ist
Mr. Sladerman«, verkündete Betsy. »Dieser Schriftsteller.«
    »Ah ja.«
Das Lächeln glättete die steile Falte zwischen den Brauen. »Onkel Charlie hat
mir erzählt, dass Sie kommen.«
    Slade
brauchte eine Sekunde, um Onkel Charlie mit Dodson in Verbindung zu bringen.
Nicht sicher, ob er einen Fluch oder ein Lachen unterdrückte, ergriff er ihre
ausgestreckte Hand. »Charlie meinte, Sie könnten ein bisschen Hilfe brauchen,
Miss Winslow.«
    »Hilfe.«
Sie rollte mit den Augen und räusperte sich. »Ja, so könnte man es nennen. Die
Bibliothek ... Nehmen Sie es mir nicht übel, dass ich davonstürme, wo Sie
gerade angekommen sind, aber mein Verkäufer ist krank, und mein Einkäufer ist
momentan in Frankreich unterwegs.« Sie verbog ihr Handgelenk, um einen gehetzten
Blick auf ihre Armbanduhr zu werfen. »Ich habe einen Kunden, mit dem ich mich
vor zehn Minuten im Laden treffen wollte.«
    »Ach,
machen Sie sich um mich keine Sorgen.« Wenn diese hektische Person einen Laden
schmeißen kann, dann kann ich es mir erlauben, die Sache gemächlich angehen zu
lassen, entschied er und lächelte. »Ich kann mich hier ja einstweilen etwas
häuslich einrichten.«
    »Prima.
Dann sehen wir uns zum Dinner.« Um sich spähend, murmelte sie wieder etwas von
ihren Schlüsseln.
    »In Ihrer
Hand«, meinte Slade.
    »Wie dumm
von mir.« Sie ließ einen Seufzer hören, als sie die Hand öffnete und den
Schlüsselbund anstarrte. »Wenn ich in Eile bin, geht erst recht alles schief.«
Sie schüttelte amüsiert den Kopf und strich sich die Haare von den Schultern. »Lassen
Sie das mit der Bibliothek lieber für heute. Das Chaos dort könnte Sie so
verschrecken, dass Sie Ihre Koffer gar nicht erst auspacken und noch flüchten,
ehe ich dort aufgeräumt haben. Betsy ...« Sie war schon fast an der Tür, als
sie sich im Laufen noch einmal umdrehte. »Sag David, er ist gefeuert, falls er
das Bett verlässt. Bis später.«
    Als die Tür
mit einem lauten Knall ins Schloss fiel, schnalzte Betsy indigniert mit der
Zunge.
    Zehn
Minuten später inspizierte Slade seine Zimmerfluchten, die beinahe so groß
waren wie die Wohnung, in der er aufgewachsen war. Im Schlafzimmer lag ein
verblichener Teppich, der, wie er feststellte, nicht alt war, sondern antik. In dem kleinen offenen Kamin, der mit schwarzem Marmor verkleidet war,
lagen ordentlich aufgeschichtete Holzscheite. Im Wohnzimmer empfing ihn ein
wuchtiger Schreibtisch, darauf eine Vase mit den Chrysanthemen, die er vorhin
so bewundert hatte, ein Briefbeschwerer aus Bronze und eine altmodische
Schreibfeder. Ohne zu zögern räumte er den Schreibtisch leer, um Platz für
seine Schreibmaschine zu schaffen.
    Mit etwas
Glück könnte aus seiner Schriftstellerei mehr werden als nur ein Alibi, dachte
er. Wenn er nicht gerade auf die Tochter des Hauses aufpassen musste, fand er
bestimmt Zeit, ein paar Kapitel zu Papier zu bringen. Freilich war da noch die
Bibliothek, um die er sich kümmern musste. Mit einem resignierten Seufzer
wandte er dem Schreibtisch den Rücken zu und ging wieder nach unten.
    Während er
durch die verschiedenen Räumlichkeiten schlenderte, registrierte der auf Cop
gedrillte Teil seines Gehirns automatisch die Lage und die Form der einzelnen
Zimmer, gleichzeitig nahm der Dichter in ihm die Atmosphäre wahr. Auf seinem
Erkundungsgang durch den ersten Stock fand Slade an Jessicas Geschmack nichts
auszusetzen. Die Winslow-Tochter bevorzugte gedämpfte Farben und klare Linien.
Wie bei ihrer Kleidung, überlegte er, als er sich an das mausgraue Kostüm
erinnerte, unter dem sie allerdings eine grellgrüne Bluse getragen hatte. Ein
Hinweis auf eine etwas andere Neigung?
    Slade blieb
stehen, um über das glänzende Rosenholz eines Flügels zu streichen. Verglichen
damit war das
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