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Nomaden des Weltalls

Titel: Nomaden des Weltalls
Autoren: Poul Anderson
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war wie Stahl, die Nacht voll bitterer Sterne, treibenden Schnee und ächzenden Gletschern. Ein Anflug von Morgenröte überzog das Antlitz des Himmels. Eine der Tänzerinnen trat vor und stand für einen Augenblick still wie in Ratlosigkeit. Dann stampfte sie auf, einmal, zweimal, und begann, das Ende der Dinge zu tanzen. Trevelyan sah, daß es Ilaloa war.
    Erst tanzte sie langsam, und es sah aus, als tastete sie sich durch Nebel und wehenden Schnee. Dann beschleunigte sich der Rhythmus der Musik; und sie tanzte schneller, floh, verbarg sich, und es war wie das Flattern gebrochener Flügel, Hunger und Elend, Kälte und Tod und Vergessen. Ihr Tanz war so wild und verzweifelt, daß es ihn krank machte. Die Musik war wie das Bersten gigantischer Gletscher, die krachend auf liebliche Seen und Wälder stürzten. Sie war wie das Wüten von Winterstürmen, wie das Dröhnen kalbender Eisberge und das Heulen von Wirbelwinden. Die Welt stöhnte auf unter ihrer Wucht.
    Und dann war der Sturm erstorben. Die Tänzerin entfernte sich langsam, langsam wie ihr sterbendes Leben. Dann war da nur noch das schwere, tote Donnern von Eis und Meer, das Jammern des Windes und das Sengen der Sonne. Es war vorbei.
    Und trotzdem lag Erfüllung darin. Leben hatte gelebt, hatte gekämpft und war dann gestorben. Wirklichkeit hatte sich ereignet – kein Mensch brauchte mehr.
    Als Stille und Mondlicht wieder einkehrten, machten die Alori keine Bewegung. Lange saßen sie da, ohne einen Laut von sich zu geben. Dann stand einer nach dem anderen auf und verschwand in den Schatten. Das Festival war vorbei.
    Nickis Gesicht war weiß unter den Monden. Trevelyan bemerkte überrascht, daß sie sanken. War dies nur eine einzige Nacht gewesen?
    Als sie zum Nomaden-Camp zurückkamen, nahm Joachim die Trauungszeremonie für sie vor. Dann gab es ein fröhliches Fest. Aber Trevelyan und Nicki blieben nicht lange.

18 – Unvermeidlicher Konflikt

    Allein verließen die beiden die Niederlassung und wanderten über die Insel. Es hatte keine Eile. Wenn sie eine Stelle fanden, die ihnen besonders zusagte – eine sandige Bucht, ein verborgenes Tal, einsame Bergeshöhen – dann blieben sie, bis eine vage Unruhe sie weitertrieb.
    Trevelyan wollte mehr über die Zivilisation der Alori erfahren. Aber um sie kennenzulernen, mußte er sie studieren.
    In den Wäldern begegneten sie oft Aloris; auch in ihre Dörfer kamen sie häufig. Stets hieß man sie willkommen und beantwortete freimütig ihre Fragen. Als er mit der Sprache besser vertraut war, begann er, in ihr zu denken. Die Sprache seiner eigenen Zivilisation reichte für die neuen Begriffsinhalte nicht aus.
    Insoweit die Alori-Kultur überhaupt mit menschlichen Gesellschaftsformen vergleichbar war, war sie apollinisch – gemäßigt und ausgeglichen, ordentlich und geregelt. Aggressive Individuen hatten in ihr keinen Platz; nichtsdestoweniger konnte sich jedes Individuum voll entfalten und innerhalb des vorgegebenen Rahmens frei entwickeln.
    Selbst nach ihren eigenen Wertmaßstäben war dies keine vollkommene Gesellschaft. Utopia ist ein Widerspruch in sich selbst. Auch hier gab es Leid, wie überall sonst im Universum; doch war die Erfahrung des Kummers ein Teil des Lebens.
    Umgekehrt war das Große Kreuz auch keine Welt gedankenloser Zufriedenheit. Es gab dort eine eigenständige Kultur, die der von Sol durchaus vergleichbar war. Aber ihr theoretisches Fundament war völlig andersartig. Die Alori waren keine Analytiker; sie betrachteten das ganze Problem als eine unteilbare Einheit. War eine Frage in sich unvollständig? Ein Mensch würde dann sagen, nicht alle relevanten Daten seien in Betracht gezogen worden. Ein Alorianer hingegen würde meinen, daß der ganze Kontext nicht richtig aussehe (wirke? zu sein scheine? In der menschlichen Basic-Sprache gibt es kein entsprechendes Wort).
    Andererseits stellten sich die Alori geradezu tölpelhaft an, wenn es um einfachste technische Dinge ging. Selbst die Intelligentesten unter ihnen waren nicht imstande, einfache Prinzipien der Fernmeldetechnik zu verstehen, und als Astronauten verließen sie sich nur auf ihre Intuition. Von Atomen hatten sie nur eine ganz nebelhafte Vorstellung, vom Atomkern gar keine. Die Allgemeine Feldtheorie war ihnen so fremd, daß sie sie regelrecht widerlich fanden.
    Mehr und mehr wurde Trevelyan klar, welch tiefe Abneigung dieses Volk empfand – nicht gegen den Kontakt mit seiner Zivilisation, sondern gegen diese Zivilisation
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