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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
Autoren: Eric T. Hansen
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Heute fiebert die ganze Presse dem neuesten Unwort entgegen, die wenigsten aber wissen noch, dass irgendwo auch sein positives Gegenstück existiert.
    Die deutsche Sprache ist ohnehin geprägt von einer ganzen Reihe von Begriffen, die man verdrehte Euphemismen nennen muss.
    Ein Euphemismus ist ein Begriff, der einen unangenehmen Sachverhalt beschönigt, zum Beispiel »Rubensfigur« statt »Übergewicht«, »Telekommunikationsdienstleister« statt »inkompetente, impertinente Versager« oder »Papa, er hat sich echt geändert, seitdem er aus dem Knast ist«, für »Papa, ich bin schwanger«.
    Der verdrehte Euphemismus dagegen ist ein Ausdruck, der einen an sich angenehmen Sachverhalt auf den Kopf stellt.
    Es fällt zum Beispiel schwer, etwas gegen Harmonie zu haben. Dann kamen die Psychiater, für die Harmonie einfach zu einfach war, und sie erfanden das Wort harmoniesüchtig . Das änderte alles.
    Harmoniesucht stellt eine Krankheit dar, bei der eine Frau sich nicht wehrt, wenn ihr Mann ständig auf ihr rumtrampelt, weil sie sonst die Harmonie gefährdet. Auf Englisch haben wir auch Bezeichnungen für dieses Phänomen: Die Frau habe kein Rückgrat oder gar keine Selbstachtung , zum Beispiel. Wir Amis machen es uns aber ziemlich einfach, indem wir bereits bestehende Begriffe benutzen. Mit der Erfindung der Harmoniesucht hat es die deutsche Psychiatrie dagegen geschafft, das Wort Harmonie für immer mit Gewalt an und Verachtung für Frauen zu verbinden. Heute ist das Wort kontaminiert. Wenn ein Single-Mann jetzt zu einer Single-Frau sagt, er suche »eine harmonische Beziehung«, läuft es ihr kalt über den Rücken.
    Langsam, aber sicher schaffen es die Nörgler auf diese Art und Weise, immer mehr Wörter, die bislang als angenehm galten, zu verdrehen.
    Eine Spaßgesellschaft ist die schlimmste Form der Gesellschaft, die man sich vorstellen kann: Oberflächlich, konsumorientiert, nicht um die Zukunft besorgt …, mit anderen Worten, eine Gesellschaft, der es gut geht. Es gab einmal eine Zeit, als es in Ordnung, ja sogar begehrenswert war, Spaß zu haben. Wer alles immer nur ernst nahm, war ein Miesepeter und genoss das Leben nicht. Wer Spaß hatte, wusste zu leben. Das ist vorbei: Wer heute Spaß hat, verdirbt die ganze Gesellschaft.
    Doch mein Lieblingsnörgelbegriff ist Schönreden . Es gab mal eine Zeit, als schön schön war. Was war das für eine naive Epoche! Wenn etwas – zum Beispiel die Wirtschaft – schöngeredet wird, ist sie in Wahrheit ein hässliches Geschäft. Aber wie soll man unterscheiden, was wirklich schön ist und was nur schöngeredet wird? Immerhin spricht man ja über beides. Das Beste ist, man geht einfach davon aus, dass gar nichts schön ist. Dann ist man auf der sicheren Seite.
    Wir in Amerika erleben vielleicht eine Menge verrückter Zivilprozesse, aber kaum ein anderes Land hat so viel Spaß daran, seine Behörden fertigzumachen wie Deutschland. Hier ist Querulantentum nicht nur eine Unterhaltungsform, es kann als Berufsersatz funktionieren.
    Richard D., der Jurist und Nörgelconnoisseur aus Nordrhein-Westfalen, teilt seine Kunden grundsätzlich in zwei Gruppen ein: die ganz normalen Spinner und die richtigen Querulanten. Hier ein Beispiel für die ganz normalen Spinner:
    »Jeder Mitarbeiter im Haus hat fünf- bis siebenhundert Prozessverfahren gleichzeitig laufen, und jeder hat ein paar spezielle Kandidaten dabei, die sich als Prozesshanseln entpuppen, die uns ständig mit Klagen und Beschwerden lahmlegen«, sagte er am Telefon in der Zigarettenpause. »Eine Kundin, die bei uns versichert ist, legte zum Beispiel Widerspruch ein, weil ein anderes Bearbeitungskennzeichen über ihrer Mitteilung stand als vorher. Keine Ahnung, wie ihr so was auffallen konnte. Daraus entwickelte sich eine ganze Reihe von Prozessen.«
    Der Unterschied zwischen »ganz gewöhnlichen Spinnern« und »richtigen Querulanten« ist der Ehrgeiz, den die Kundinnen und Kunden an den Tag legen.
    »Da war diese Frau, die Frührente beantragte«, erinnerte er sich und nahm einen tiefen Zug. »Der Antrag wurde abgelehnt, denn es stellte sich heraus, dass ihre Rückenbeschwerden nicht so doll waren, dass sie eine Frührente rechtfertigten. Dagegen klagte sie. Daraus wurde ein umfangreiches Verfahren bis in die zweite Instanz, inklusive Befangenheitsanträgen gegen bestimmte Richter. Das zog sich hin. Schließlich hat das Landessozialgericht gesagt, wir müssen hier was tun, das wird nie enden. Im Grunde hat man einfach
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