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Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Titel: Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Autoren: Britta Strauss
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worden.
    Er drückte den Auslöser nur einmal. Mehr als dieses Foto brauchte er nicht. Denn es war perfekt.
     

Sara, 2011
     
    S
    ie saßen am Feuer, irgendwo in der nächtlichen Weite der Great Plains, und obwohl sie umgeben waren von einer Schar modern gekleideter Touristen fühlte es sich an, als wäre alles wie damals. Makah hatte sie nicht nur mit auf diesen Wanderritt g e nommen, weil er ihr einen bestimmten Ort zeigen wol l te. In erster Linie war es eine Reise, die Ende und Anfang markierte. Man konnte es Vis i onssuche nennen. Sie ließen alles Alte zurück, und kehrten als neugeb o rene Menschen wieder.
    Vorgestern hatten sie Fort Parker besucht, dessen Gebäude nach e i n em Feuer originalgetreu wieder aufgebaut worden waren . Es war längst nicht so schmerzlich gewesen, wie Sara befürchtet hatte. Seltsam, wie wenig Macht die Zeit über manche Dinge besaß. Die Hol z häuser sahen noch immer aus, als könnte jederzeit eine Frau in einem Leine n kleid und mit einer Haube auf dem Kopf heraustreten, in jeder Hand einen Eimer Wasser, um die Tabakpflanzen zu gießen. Oder der Schmied mit seinen klobigen, rußigen Händen, der immer einen bla s phemischen Fluch auf den Lippen hatte.
    Erst, als sie auf jenem Fleck Erde gestanden hatte, der vor langer Zeit mit Noconas und ihrem Blut getränkt worden war, hatte Sara sie gespürt. Die Wehmut. Die bittersüße Melancholie. Dieses Sehnen im Herzen, das immer unerfüllbar bleiben würde und das gerade deshalb so kostbar war. Ihr eigenes Grab hatte sie aus einem einzigen Grund nicht besucht. Weil es unnötig war. Naduahs Leben war abgeschlossen. Es war an der Zeit, nur noch Sara zu sein. Die freischaffende Fotografin, die in den Great Plains ihr Glück gefunden hatte. Selbst wenn das bedeutete, kalt zu d u schen, eine Spinne über dem Bett hängen zu haben und tagein, tagaus nach Pferd zu riechen.
    „Sing es noch einmal für mich.” Makahs Stimme riss sie aus ihren G e danken. „Bitte.“
    Sara wand sich unangenehm berührt. „Besser nicht. Ich konnte vie l leicht damals singen, heute klinge ich wie eine leere Gießkanne.“
    Er sagte nichts, sah sie nur aus großen, flehenden Rehaugen an. Sara kapitulierte. Dieser Mistkerl wusste viel zu gut, wo er den Hebel ansetzen musste. Sie schloss die Augen, erinnerte sich an die Worte und fand nur Bruchstücke. Doch kaum glitt der erste Ton über ihre Lippen, hob sich der Vorhang in ihrem Kopf.
    „Frà Martino, campanaro . Dormi tu? Dormi tu ? Suona le campane, suona le campane ! Din don dan, din don dan.”
    Makah starrte sie an , während sie den Kanon mehrmals wiederholte . Obwohl sie am wärmenden Feuer saßen, irgendwo in den Ausläufern der Wichita Mou n tains, sah sie, wie eine Gänsehaut seine Arme überzog. Als wäre es ihm una n genehm, dass sie seinen Aufruhr sah, krempelte er die Ärmel seines schwarzen Pullovers h in u n ter.
    Er räusperte sich ein paar Mal, griff in den Beutel, den er am Gürtel seiner Jeans trug, holte ein Bündel getrockneten Salbeis hervor und stre u te ihn in das Feuer. Sara beendete ihr Lied und sog den Duft des aufste i genden Rauches ein. Wunderbar. Fast wie damals. Neun gebannt drei n blickende Touristen taten es ihr gleich und hoben schnuppernd die N a sen. Der Glanz in ihren Augen nahm etwas Kindliches an, als Makah zu singen begann. In der Sprache der Nunumu. Warm, ruhig und tröstend. Sanft wie ein Frü h lingsregen.
    Seine Miene war weich und selbstvergessen, und als Sara sich an ihn schmiegte und den Mond betrachtete, der durch das Laub einer Birke schien, fühlte sie sich zufrieden.
    Wirklich zufrieden. Und wirklich vollkommen.
    „Komm“, sagte Makah irgendwann, gerade als sie in den Schlaf hinüberdriftete. „Ich will dir etwas zeigen.“
    Die ersten Touristen aus der Gruppe krochen bereits in ihre Zelte, als sie sich auf den Weg machten. Andere blickten ihnen sehnsüchtig hi n terher. Vermutlich spürten sie, wie glücklich sie in ihrer Zweisamkeit waren, und sehnten sich danach, etwas Ähnliches zu fühlen.
    Mondlicht schimmerte auf den Hügeln. Ein Fluss mäanderte gemü t lich durch das Land, hier und da beschattet von Bäumen. All das war ihr vertraut, auf eine ferne, träumerische Weise. Sie war schon einmal hier gewesen, aber alles hatte sich verändert. Selbst die Hügel, die von Sturm, Schnee und Regen neu geformt worden waren.
    „Erkennst du es?“ , fragte Makah.
    „Noch nicht.“
    „Sieh genau hin.“
    Der Fluss war im Laufe der Jahrzehnte schmaler
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