Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

Titel: Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
Autoren: Juergen von der Lippe
Vom Netzwerk:
lang problemlos aufrechterhalten, es sei denn, ich möchte plötzlich als intellektuelle Speerspitze meines Viertels gelten.
    Vorurteile sind nicht notwendigerweise abwertend. Die blinde Verehrung, die der frisch Verliebte dem Objekt seiner Begierde entgegenbringt, ist ein gutes Beispiel, Percy Sledge hat sie eindrucksvoll besungen in »When a man loves a woman«, da heißt es: »... She can do no wrong, he would turn his back to his best friend, if he puts her down.« Wenn ein Mann eine Frau liebt, kann sie nichts falsch machen, er würde mit seinem besten Freund brechen, wenn er etwas Negatives über sie sagt. Es hört sich nicht so toll an, wenn man versucht, es auf die Originalmelodie zu singen, deshalb heißt die deutsche Version auch: »Wenn es Nacht wird in Harlem«, aber es stimmt. Auch der von keines Zweifels Blässe angekränkelte Blick auf die eigene Nation, Religion oder Fußballmannschaft gehört in diese Abteilung. Vom Fußball ist es nicht weit zur Fanverehrung. Popularität, hat ein kluger Kopf einmal gedacht und dann gesagt, ist die Summe der Missverständnisse, die sich um eine Person ranken, dazu gehört in meinem Fall das Vorurteil, ein Komiker ist a) immer gut drauf, b) immer freundlich, c) immer witzig. Die Wissenschaft nennt diese Neigung, Menschen nach ihren auffälligsten Merkmalen wahrzunehmen, Fokussierung. Ich möchte Ihr Weltbild nicht durcheinanderbringen, mute Ihnen aber dennoch zu hinzunehmen, dass auch ein mit Haut und Haar der komischen Unterhaltung verschriebener Mensch einmal einen Scheißtag hat. Und einen solchen schildere ich jetzt.
    Ich nächtige im Hotel, habe das Schild mit »Bitte nicht stören« außen an die Zimmertür gehängt, ein Witzbold hat es offenbar nachts umgedreht, jetzt steht da »Bitte Zimmer saubermachen«. Um acht steht die Dame des Reinigungspersonals an meinem Bett. »Hallo, soll ich Bett machen?« »Ungern, ich liege noch drin, haben Sie das Schild nicht gesehen?« »Hab ich gesehen, deswegen ich komme.«
    Unsere Konversation wird vom Zimmerkellner unterbrochen. » Wo darf ich das Frühstück hinstellen?« »Ich hatte kein Frühstück bestellt.« »Entschuldigung, aber um drei Uhr hing der Frühstücksbestellzettel an Ihrer Tür. Frühstück für zwei mit allem.« »Ich bin allein, was soll das?« »Vielleicht musste die junge Dame früh zur Arbeit oder zur Schule, oder der junge Herr?« »Jetzt reicht’s aber! Hören Sie, da hat jemand einen Scherz gemacht, nehmen Sie Ihr Frühstück und gehen Sie!«
    »Entschuldigung, soll ich Bett machen?« »Nein, machen Sie, dass Sie rauskommen und machen Sie das Nicht-stören-Schild wieder an die Tür! Danke!« Ich beschließe, den Frust im sogenannten Fitnessraum des Hotels abzutrainieren. Das Laufband ist kaputt, der Kraftturm hat wohl nie funktioniert, der Crosstrainer ist besetzt von einer aufgepimpten Freizeitathletin, die mich nach prüfendem Blick wissen lässt: »In echt sind Sie aber dicker, wie machen die dat im Fernsehen?« Ich sage: »Die senden halt viele Wiederholungen von früher«, aber so richtig überzeugen tut mich der Spruch nicht.
    Später am Tag betrete ich einen Supermarkt, um einige Dinge, die man auf Tournee so braucht, zu kaufen. Was höre ich? »Hilde, lurens, dat is doch der Dingens, der Dicke vom RTL, wie heescht de noch, isch komm doch net op der Name, he sag mal, wie heißt du noch?« Dabei verkrallt sich der rüstige Greis in meiner Schulter, ich sage zu Hilde: »Küssen Sie Ihren Mann noch mal, er hat gleich keine Zähne mehr, wenn er mich nicht loslässt!« Er lässt nicht los. Ich befreie mich durch einen Ellbogencheck, der ihn ins Gewürzregal wirft, und fliehe panisch in eine Konditorei. Jetzt ein Milchkaffee und ein Stück Kuchen. Kuchen macht glücklich. Hoffe ich. Eine ältere Dame nähert sich unsicher lächelnd. Ich beschließe, unter allen Umständen freundlich zu bleiben. »Entschuldigung: Sind Sie’s?« »Ja.« »Nein, das glaub ich nicht.« »Können Sie aber.« »Waren Sie zusammen mit Karl Dall bei den Insterburgs?« » Nein.« »Sehen Sie, dann sind Sie das auch nicht.«
    Später sitze ich dumm auf dem Flughafen herum, der Flieger, der mich zu einer Talkshow bringen soll, hat Verspätung. Ich kaufe zwei Würstchen und werde plötzlich wehmütig. Ich muss an meine erste Hochzeit denken. Von der Kohle, die sie hier für zwei Würstchen aufrufen, habe ich damals die komplette Feier bestritten, mit Hochzeitsreise. Der Flieger fliegt irgendwann doch noch, kommt natürlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher