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Noch nicht mal alleinerziehend

Noch nicht mal alleinerziehend

Titel: Noch nicht mal alleinerziehend
Autoren: Dunja M Pechner
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so schamloses Leben führte. Und deshalb sprach Nora auch nicht über Affären. So ersparte sie sich weitere Verhöre.
    Ihr Vater schüttelte den Kopf.
    »Worüber sprecht ihr?« Ihre Mutter war zurückgekommen und verteilte Schälchen mit Vanilleeis.
    »Über die unbefleckte Empfängnis«, sagte Nora immer noch lachend. »Papa wollte wissen, ob ich auch schwanger bin.«
    »Das wollte ich nicht! Aber ein Freund wäre ja schon mal ein Anfang!«
    »Ein Anfang? Wofür denn?«, fragte Nora und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Simone, jetzt sag doch auch mal etwas!«
    Ihre Mutter schürzte die Lippen. Oh je. Jetzt wurde es wirklich ernst.
    »Nun, wir fragen uns schon, wo das alles hinführen soll. Wir machen uns einfach Sorgen! Willst du denn ewig alleine bleiben?! In deinem Alter?«
    Nora überlegte nicht lange. »Mama, Tobi und ich sind erst seit eineinhalb Jahren getrennt. Wir waren zehn Jahre zusammen! Zehn! Ich glaube nicht, dass es besorgniserregend ist, dass ich mich nicht gleich in die nächste Beziehung gestürzt habe. Oder dass dies ein Zeichen dafür ist, dass ich auf einen einsamen Lebensabend zusteuere.« Langsam wurde sie sauer. Sie hasste diese Gespräche.
    Ihre Eltern allerdings wurden gerade erst so richtig warm – und Nora selbst hatte soeben den Startschuss abgefeuert. »Ich mochte den Tobi«, sagte ihr Vater fast wehleidig.
    »Ja, der Tobi, der war ein so toller junger Mann«, stimmte ihre Mutter ein. »Nett, höflich, gebildet, charmant, einen ordentlichen Beruf – und so gutaussehend. Und ihr wart ein so schönes Paar. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum du den nicht geheiratet hast.«
    Nora wünschte sich weg. Weit, weit weg. »Weil wir nicht mehr verliebt waren. Und außerdem will ich gar nicht heiraten, das wisst ihr doch.«
    »Nora, bei aller Liebe, aber ich verstehe dich einfach nicht. Woher hast du nur diese Aversion gegen das Heiraten? Dein Vater und ich sind seit 39 Jahren verheiratet …«
    Nora holte tief Luft, bevor sie ihrer Mutter ins Wort fiel. »Stopp! Stopp, Mama! Nicht heute! Bitte! Ich bin müde. So richtig müde und langsam echt genervt. Können wir uns nicht einfach freuen? Schließlich haben wir etwas zu feiern. Also lasst uns ganz schnell diese Flasche Champagner köpfen und auf Sophie und ihr Baby anstoßen. Und nicht über mich reden. Geht das, bitte?! O. K.?!«
    Drei Stunden später saß Nora wieder in ihrem Auto auf dem Heimweg nach Köln. Sie liebte ihre Eltern. Aber Gespräche wie diese waren die Hölle – auch ohne Kater. Sie war kraftlos, ihr Kopf hämmerte, und der Champagner hatte ihren Zustand auch nicht gerade verbessert. Warum musste in dieser Familie eigentlich immer alles besprochen werden? Und warum gab es Dinge, die ihre Eltern einfach nicht hinnehmen konnten oder wollten? Es war ja nicht so, dass Nora ihre Eltern erst gestern mit ihren Ansichten wie aus heiterem Himmel vor vollendete Tatsachen gestellt hätte. Ihr Handy piepte – eine neue Nachricht, verriet das Display. Nora drückte auf O. K. und las:
    Ist so schade, die Nacht war viel zu kurz. Es vergeht kein Moment, dass ich nicht an dich denk. Ich kann nicht warten, dich zu sehen. Beso M
    Nora lächelte! Es gab einen Gott. Einen, mit dem sie nicht rumdiskutieren musste. Einen, dem sie nichts erklären musste, weil er sie ganz genau verstand. Er wusste, was Nora wollte und was gut für sie war. Und genau deshalb hatte er ihr letzte Nacht auch M geschickt! M wie Mariano – aus Argentinien! Nora seufzte tief und lächelte. Alles war gut, so wie es war. Punkt!

A ls Nora sich die Treppen zu ihrer Zweizimmer-Altbauwohnung im dritten Stock hochschleppte, hatte sich der Zorn über ihre Eltern bereits wieder gelegt. Es war kurz nach fünf. Sie schloss ihre Wohnungstür auf, trat ein und atmete erleichtert durch. Zu Hause! Hier gab’s nur sie, keine Verhöre, keine Rechtfertigungen und ausschließlich ihre Regeln.
    Der Anrufbeantworter im Flur blinkte wild. Ja, Nora besaß tatsächlich noch dieses Relikt aus einem anderen, technologisch unterentwickelten Zeitalter. Diesen SMS -Terror hasste sie. Warum tippten sich die Leute auf diesen kleinen Tastaturen lieber die Finger wund, als kurz miteinander zu sprechen? Nora verstand das nicht. Ihr Handy war eher eine Anschaffung aus beruflicher Notwendigkeit gewesen. Obwohl sie diese Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit grundsätzlich völlig hysterisch fand. Als Nora noch gearbeitet hatte, hatte sie feste Bürostunden, in denen ihr Handy auf Empfang war.
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