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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben
Autoren: Robert Silverberg
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ermöglicht.
    In der Wohnung ihres Vaters vernahm Risa mit Erstaunen den Bericht über die Ermordung von Martin St. John.
    „Du bist dir im klaren“, erklärte ihr Mark, „daß du Santoliquido bei der Lösung seines Problems geholfen hast.“ Mark schlug sich mit einer Hand aufs Knie. Eine Geste, die in beunruhigender Weise an Onkel Paul erinnerte. „Indem du diesen Dybbuk gestellt hast, bekam Santo im rechten Moment einen vakanten Körper in die Hand. Und in den hat er Onkel Pauls Geist gesteckt.“
    „Konntest du ihn denn nicht daran hindern?“
    „Ich weiß nicht, ob ich das wollte, Risa. Da meine Vorstellung, den alten Mann auf unbegrenzte Zeit im Depot zu belassen, ohnehin keine Aussicht auf Erfolg hatte, mußte ich mich damit abfinden, daß irgendjemand ihn wohl bekommen würde. Und in Martin St. John war er mir immer noch lieber als in John Roditis.“
    „Verstehe. Aber der Mord …“
    „Der wurde letzte Nacht verübt. So, wie ich mir den Hergang der Tat vorstelle, hat Roditis seinen Speichellecker Noyes zu Elena geschickt. Die hat ihm dann nicht nur erzählt, wo St. John sich aufhielt, sondern ihn auch noch hierher gebracht. Noyes hat dem Engländer ein heimtückisches Gift gegeben. Heute morgen sind er und Elena zu einem von Roditis’ Büros geflogen. Und jetzt befinden sie sich auf dem Rückflug.“
    „Ich habe diesem Weib nie getraut, Mark.“
    Er lachte. „Ich weiß. Aber ich habe das immer deinem übersteigerten Elektrakomplex zugeschrieben.“
    „Das ist ja auch nicht falsch. Doch ist er nicht so übersteigert, daß ich zu keinem vernünftigen Schluß mehr fähig wäre. Elena ist eine wertlose Persönlichkeit, und ich habe mich immer bemüht, dir das begreiflich zu machen. Zumindest muß man aber zugeben, daß sie dir keinen direkten Schaden zugefügt hat. Mit Martin St. Johns Tod hast du nichts verloren.“
    „Doch“, sagte Mark. „Wenn Roditis den alten Mann noch einmal beantragt und ihn dann auch bekommt.“
    „Aber wenn er doch an diesem Mordfall beteiligt war, wird man ihn zwangslöschen.“
    „Wenn man ihm etwas nachweisen kann.“
    „Du hast doch den ganzen Fall rekonstruiert“, sagte Risa.
    Er nickte: „Ja, zu meinem eigenen Vergnügen. Das wird die Polizei aber kaum überzeugen. Ich muß Elena dazu bringen, ihre Beteiligung an diesem Verbrechen zuzugeben. Damit kann die Polizei etwas anfangen und Noyes Gedächtnis untersuchen. Sobald sie seinen Geist sondiert, reicht das, um Roditis vor den Kadi zu bringen. Dann haben wir gewonnen – vielleicht. Aber dieser Weg verläuft auf unsicherem Boden.“
    „An Roditis’ Stelle würde ich dafür sorgen“, sagte Risa bedächtig, „daß ich Elena und Noyes möglichst bald und möglichst gründlich das Gedächtnis löschen lasse. Damit wird der Ermittlungsweg schon abgeschnitten, noch bevor man überhaupt zu dem Griechen finden kann.“
    „Ich glaube, daß er gerade das getan hat. Elena und Noyes waren den ganzen Morgen bei ihm in Indiana. Jetzt fliegen sie wieder zurück – und ihr Erinnerungsvermögen an die letzte Nacht ist so rein wie ein Kinderherz.“ Er ballte die Fäuste, sein Gesicht nahm einen solchen Ausdruck von ärgerlicher Entschiedenheit an, daß er auf ganz unglaubliche Weise wie Paul Kaufmann aussah. „Was immer auch geschehen mag, Roditis bekommt den Onkel nicht! Vielleicht hat er diese Runde gewonnen, vielleicht hat er aber auch schon die ganze Schlacht verloren – das Bewußtsein Pauls wird niemals den Weg in seinen Kopf finden. Irgendwie muß das zu machen sein. Irgendwie schon!“
    Risa war über die zornige Entschlossenheit ihres Vaters ehrlich erstaunt. Sie wußte keinen Grund, warum der Mord an St. John ihn so sehr aufregte, so erschreckend und empörend er auch sein mochte. Mark schien die Tat jedoch überzubewerten. Natürlich, Elena hatte ihn hintergangen. Und natürlich hatte Roditis es geschafft, Onkel Paul für sich wieder zugänglich zu machen, gerade zu dem Zeitpunkt, als dieser unruhestiftende Geist in dem vakanten Körper St. Johns untergebracht war. Im Grunde genommen war damit aber nur der vorherige Zustand wieder hergestellt worden. Warum also diese übermäßige Aufregung? Mark hatte sich so aufgeregt, daß er Risa ohne Abstriche ins Vertrauen gezogen hatte; etwas, daß noch nie vorgekommen war. Risa verblüffte das. Es war noch gar nicht so lange her – kürzlich erst bei der Strandparty –, da hatte er ihr frank und frei erklärt, sie solle nach draußen spielen gehen, solche Sachen
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