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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben
Autoren: Robert Silverberg
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Paul sein, weißt du, wenn man einmal vom Gesicht und den Haaren absieht. Aber du stehst so da, wie er das immer tat.“
    Mark lächelte matt. „Die Kaufmann-Gene schlagen eben durch.“
    „Ich meine es ernst, Mark: hast du eine Transplantation bekommen, während ich in Europa war?“
    „Klar“, sagte er. „Ich habe Santoliquido bestochen, da hat er mir Onkel Paul gegeben.“ Am besten zog man das Ganze ins Lächerliche, sagte er sich, und zerstörte damit von vornherein alle Möglichkeiten, daß sie doch noch hinter die Wahrheit kam.
    „Ehrlich, Mark, du hast doch eine Transplantation bekommen, nicht wahr? Wenn nicht Onkel Paul, aber dann jemand anderen. Da bin ich mir ganz sicher.“
    „Tut mir leid, meine Beste. Ich beabsichtige zwar nicht, dir den Glauben an deine weibliche Intuition zu nehmen, aber du liegst ganz einfach falsch. Alles, was du an mir zu sehen glaubst, ist die nervöse Überreaktion eines bis auf die Knochen erschöpften Mannes.“ Wieder läutete das Telefon. „Entschuldige mich mal kurz, ja?“
    Als er zum Schreibtisch ging, kam er an einem Spiegel vorbei. Er schaute in die ovale Scheibe. Ja, dachte er, sie hat recht. Ich habe mich verändert. Mir ist das nie aufgefallen, aber ihr, die einige Zeit weg war …
    Es war, als hätten Onkel Pauls Züge sich mit seinen eigenen vermischt. Sein Gesicht wies eine Straffheit auf, die vorher nicht dagewesen war. Mark war erneut besorgt. Wenn Paul ihn so rasch infiltriert hatte, mußte Mark dann nicht damit rechnen, daß Paul kurz davor stand, ein Dybbuk zu werden? Die hervorstechendste Eigenschaft des Onkels war seine Schläue. Seine gegenwärtige Stimmung freundschaftlicher Zusammenarbeit mochte einfach zu Pauls Plan gehören, seinen Wirt zu überwinden.
    Außerdem erfüllte ihn auch die durchaus richtige Vermutung Risas mit Unruhe. Sie war natürlich ein cleveres Mädchen, aber war es so offensichtlich, daß er Onkel Pauls Bewußtsein aufgenommen hatte? Wenn es ihr schon auffiel, sahen die anderen es dann auch? Wenn er das Geheimnis nicht für sich behalten konnte, war es um ihn geschehen.
    Beim fünften Klingeln wandte er sich dem Telefon zu.
    „Ja bitte?“
    „Miß Volterra befindet sich auf dem Rückflug nach New York“, berichtete eine tonlose, mechanische Stimme. „Sie hat Evansville vor zwanzig Minuten verlassen.“
    „Wird sie überwacht?“
    „Jawohl, Sir.“
    „Und Noyes?“
    „Er fliegt mit ihr. Sie scheinen sich gestritten zu haben. Er macht einen niedergeschlagenen Eindruck. Sie ist die zornigste Frau, die mir je untergekommen ist.“

 
14
     
    Risa ging hinauf in ihr Apartment, das über der Wohnung ihres Vaters lag. Dort packte sie ihre Koffer und Taschen aus und zog sich um. Danach kehrte sie zu Mark zurück. Risa hatte ihren Vater noch nie in einer solchen Verfassung gesehen. Gewöhnlich blieb er auch bei den schwersten Krisen die Ruhe selbst, war gelassen und beherrscht. Dieses Mal schien jedoch etwas wirklich Ernstes in der Luft zu liegen.
    Auch sein Äußeres verwirrte sie. Ein Mann um die Vierzig veränderte sein Gesicht nicht grundlos innerhalb einer Woche. Es sei denn, ihm wäre etwas Tiefgreifendes zugestoßen, wie zum Beispiel die Aufnahme eines neuen Fremdbewußtseins. Und gerade das stritt er ab. Aber woher hatte er dann diesen Glanz in den Augen, diese wilde Strahlung, die sofort, an Onkel Paul denken ließ? In scherzhaftem Ton hatte er ihr erklärt, Santoliquido bestochen und dafür das Bewußtsein des alten Mannes bekommen zu haben. Nun, der Direktor vom Scheffing-Institut ließ sich nicht bestechen, daran gab es keinen Zweifel. Aber eine solche Transplantation konnte auch auf andere Weise arrangiert werden. Risa kannte die Tricks und Taktiken ihres Vaters genau, besser noch, als er das wahrscheinlich für möglich hielt. Sie hatte es schon mehrmals miterlebt, wenn er völlig offen irgendeine unmögliche Tat zugegeben hatte, bloß um durch seine Offenheit zu bewirken, daß man ihm nicht glaubte.
    Je länger sie darüber nachdachte, desto überzeugter wurde sie davon, daß er eine illegale Transplantation durchgeführt hatte. Nur so ließ sich sein veränderter Zustand erklären. Risa wußte sehr wohl, daß ein Fremdbewußtsein so etwas bewirken konnte. Sie hatte das ja selbst erfahren, als Tandy zu ihr gekommen war. Ihre Erscheinung war jetzt weicher, femininer geworden. Den burschikosen Wildfang hatte sie abgelegt und gegen ein verführerisches Auftreten eingetauscht; das hatte ihr erst Tandy Cushing
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