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Nizza - mon amour (German Edition)

Nizza - mon amour (German Edition)

Titel: Nizza - mon amour (German Edition)
Autoren: Fritz J. Raddatz
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ihm entworfenen Türen verunstaltet, Balkendecken zwar restauriert, aber mit seinen »kunstvollen« Kapitellen versehen und allenthalben, wohin der Besucher sich auch wendet, die Erzeugnisse seines monströsen Geschmacks ausgestellt. Selbst eine Art Basilika hat er sich in einem eigens hinzugefügten Turm einfallen lassen, mit noch zu Lebzeiten aus Marmor gemeißelten Sarkophagen. Darin liegen nun der so unglücklich in die Kunst verliebte amerikanische Jedermann und seine 1959 verstorbene Gattin Marie. Sie hatte immerhin schon 1951 die splendide Idee zu einer großzügigen Stiftung, dank derer das etwas hoffärtige Unikum bis dato unterhalten und öffentlich zugänglich gemacht wird.
    Das sind Orte und Momente, in denen die Zeit den Atem anzuhalten scheint. Doch es bedarf gar nicht immer so dramatischer Diven-Gebärde. Göttin Grazie tritt durchaus auch in bescheidener Kulisse auf, im uns schon bekannten Städtchen Peille, hoch oben auf einem Bergsporn in verlorener Einsamkeit zum Beispiel, dort trägt die Grazie im Frühjahr ein tuffiges Gewand aus rosa Pfirsich-und Mandelblüten, lädt in die schlichte Gaststätte »Auberge de la Madone« und scheint durch die steilen Gassen der unweit gelegenen Dörfer Coaraze oder Lucéram zu schweben; man fragt sich nur, wer hat und warum diese schmucken Einödnester hoch in den Bergen errichtet? Möchte man da leben? Aber unsere gastliche Göttin, auch eine Fee der begehrlichen Wünsche, hält ja viele Einladungen bereit, entlang der begnadeten azurnen Küste. Eine davon bittet in das 1870 erbaute sagenumwobene »Hotel du Cap Eden Roc«, filmreich gelegen in seinem Pinien-und Palmenpark, bugähnlich ins Meer ragend an der äußersten Spitze des Kaps von Antibes, schon anno dunnemals die Dietrich beherbergend und Picasso, Rita Hayworth und Franklin Roosevelt, König Farouk und Stefan Zweig. Ein eigener Schwimmlehrer brachte Charlie Chaplin das Schwimmen bei, der Hotelchef begrüßte die ihm fast immer persönlich bekannten Gäste am Eingang, für deren immer mitreisende Lieblinge es übrigens einen eigenen Hundefriedhof mit Platten aus weißem Marmor gab und immer noch gibt, diskret verteilt auf dem weitläufigen Gelände. Und dann der Klatsch über die Greisin, die ihre Gigolos mit Kaviar und Champagner in Stimmung bringt; über das eilendst aus St-Tropez per Hubschrauber eingeflogene Dessert, weil trotz des vorzüglichen Restaurants Frau Yachtbesitzergemahlin der Nachtisch nicht mundete; und die Herrschaften vom Film (Cannes ist ja in der Nähe), die ihre Rechnung über 400000 Euro ohne zu zögern bezahlen – der Klatsch füllte Bände. Apropos: Auch dieses Lichtspielhaus ist nicht mehr ganz, was es mal war – bis vor kurzem nahm man dort weder Schecks noch Kreditkarten in Zahlung (weder die aus Platin noch die für unbegrenzte Höhen gültige schwarze); Anzahlung und später die Rechnung. Modern Times hat auch dieses Kino erreicht – keine Göttin, keine Fee ist vonnöten, American Express macht’s möglich für jeden, der zwischen 3000 und 5000 Euro pro Nacht ein Zimmer wünscht. Es gibt wohl, so las ich kürzlich, eine Art Gegenmodell in unmittelbarer Nachbarschaft, das 6-Zimmer-Hotel »Val des Roses«; zwar ohne geheizten Meerwasserpool, dafür im Angebot den schönen grünäugigen jungen Mann mit schwarzen Locken und den obligaten langen schmalen Händen, mit denen er den Kaffee serviert. Es ist die DVD -Version fürs große Cinemascope-Theater. Da ich jedoch weder einen Hotel-noch einen Restaurantführer schreibe, sondern nur von meinen persönlichen Vorlieben und Abneigungen, soll unbedingt gesagt sein: Jedem das Seine. Über Geschmack soll man (nicht) diskutieren, sowenig man über Mode räsonieren kann. Ich fand das bodenlang wehende Kleid aus schwarzen Federn bei einer Dame meiner jungen Jahre hinreißend; heute sieht man eher die Plateauschuhe zum Minirock aus zerfetztem Jeansstoff. Leben heißt Aussuchen.
    Dazu bietet Nizza und seine Umgebung so unvergleichlich viel Gelegenheit. Eben noch kommt man spätnachmittags aus einem Händel-Corelli-Vivaldi-Konzert des sehr guten »Ensemble Baroque de Nice« in der Cathédrale SainteRéparate – da schlägt man die Zeitung auf mit der Nachricht, daß am hellichten Tage und mitten im Stadtzentrum auf offener Straße eine Apothekerin erstochen wurde; eben erfreut man sich der seit 2007 installierten Straßenbahn, mit der man bequem den überbordenden Autoverkehr unterlaufen kann – da gerät man in eine Demonstration
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