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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch
Autoren: H Dunmore
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Flut dachte. »Sei auf der Hut, in Indigo wie auf der Erde, wenn du denen begegnest, die Macht erlangen wollen, indem sie uns gegeneinander ausspielen.« Ihre Stimme hatte sich gehoben, wie sich der Wind hebt, der einen Sturm ankündigt. Dann klang sie plötzlich wieder ganz normal. »Ich lasse dich beim Pflanzen jetzt allein«, sagte sie und kehrte mir den Rücken zu.
    »Granny Carne …«
    Doch sie hatte sich bereits entfernt und stapfte mit zügigen Schritten den Weg hinauf, als wäre sie so jung wie Mum und nicht so alt wie … so alt wie …
    Die Eberersche?
    Die Hügel?
    *
    Roger lebt ebenfalls in unserem Haus. Allerdings nicht ständig, weil er auch ein Apartment in St. Pirans besitzt. Doch die meiste Zeit verbringt er hier. Er sitzt auf Dads Stuhl am Küchentisch, so wie ich es immer befürchtet habe.
    Roger will, dass wir uns ein Boot anschaffen. Er sagt, es sei doch verrückt, keines zu besitzen, wenn man einen so perfekten Liegeplatz hat wie die Bucht zu unseren Füßen. Außerdem sind Conor und ich alt genug, um damit verantwortungsbewusst umzugehen, meint er. Dass Dad verschwand, als er mit der Peggy Gordon unterwegs war, darf uns doch nicht für alle Zeit davon abhalten, uns ein neues Boot anzuschaffen.
    Ich weiß, dass dies seine Meinung ist, weil ich zufällig gehört habe, wie er mit Mum darüber sprach, während ich im Garten meine Löcher gegraben habe. Doch sie sah das natürlich anders.
    »Gib mir Zeit, Roger«, entgegnete sie. »Ich weiß, dass du es gut meinst, aber ich ertrage die Vorstellung einfach nicht, dass die Kinder allein mit dem Boot rausfahren. Das Wetter schlägt so schnell um. Ich kann es nicht riskieren, sie auch noch zu verlieren.«
    Roger sagte: »Du kontrollierst die Kinder zu sehr, Jennie.«
    »Glaubst du etwa, ich weiß das nicht? Aber Sapphire kann so impulsiv sein. So wild. Genau wie ihr …«
    »Wie ihr Vater?«
    »Ja.«
    »Aber das kannst du nicht ändern. Und Sapphire ist stark. Überleg doch nur, wie sie und Conor mit der Flut zurechtgekommen sind. Gott weiß, was sie in dieser Nacht getan haben. Es sind großartige Kinder. Denk noch mal drüber nach, Jennie. Ich wüsste genau, wo ich ein hübsches kleines Boot für sie herkriegen könnte.«
    Das Problem mit Roger ist, dass man ihn nicht wirklich hassen kann – obwohl ich ihn gerne dafür hassen würde, dass er nicht Dad ist …
    »Du denkst schon wieder an diesen Taucher«, sagt Faro. Ich zucke so heftig zusammen, dass ich fast vom Felsen falle. Faro hält mich am Arm fest.
    »Und du hast dich schon wieder in meine Gedanken geschlichen«, entgegne ich zornig.
    »Du hast es zugelassen«, erwidert er.
    Das stimmt. Ich kann Faro vollständig von meinen Gedanken fernhalten, wenn ich das will. Ich muss sie nur durch eine Art Fallgitter abschotten, wie sie in mittelalterlichen Burgen üblich waren.
    »Roger ist nicht nur ein ›Taucher‹, Faro. Er ist der Freund meiner Mutter.«
    »Ist er immer noch dein Feind?«
    »Ich weiß es nicht. Früher habe ich ihn gehasst. Und ich hasse ihn immer noch, manchmal …«
    »Ich kann ihn dir vom Hals schaffen«, sagt Faro, als wäre das die normalste Sache der Welt. »Wenn er das nächste Mal im Meer ist, werde ich auch da sein.« Als er seine Schultern dreht, treten seine Muskeln hervor.
    » Nein , Faro!«
    Sein Gesicht verfinstert sich. »Deine Feinde sind auch meine Feinde, Sapphire.«
    Doch genau in diesem Moment lenkt ihn etwas ab. Etwa hundert Meter von uns entfernt, auf dem offenen Meer, ist das Wasser in Aufruhr geraten. Vielleicht ein Makrelenschwarm. Oder vielleicht – vielleicht sogar ein Delfin.
    Faro beugt sich vor und betrachtet eindringlich die Wasseroberfläche. Plötzlich schießt ein Schwall glitzernder Tropfen empor. Ich meine, den Schatten einer Flosse im klaren Wasser erkannt zu haben.
    »Ein Delfin, Faro.«
    »Nein, das ist einer von uns.«
    Mein Herz pocht. Ein Mer. Einer von Faros Leuten.
    »Meine Schwester ist es nicht«, murmelt Faro. »Es ist ein Signal. Ich muss zurück.«
    Er dreht sich zu mir um, seine Augen leuchten vor Erregung. »Warte hier. Geh nicht weg.«
    Er stößt sich vom Felsen ab und durchbricht mit einer kraftvoll-eleganten Bewegung die Oberfläche. Für einen Moment sehe ich noch, wie sein Flossenschlag ihn der Mündung der Bucht näher bringt, dann ist er verschwunden.
    Ich warte. Ich weiß, dass er zurückkommen wird. Faro hält stets Wort. Als ich zum Himmel emporblicke, sehe ich, wie sich ein Wolkenfetzen vor die Sonne schiebt. Die
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