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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch
Autoren: H Dunmore
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Begegnung wieder ein.
    » Du hast noch nie Angst vor mir gehabt, Faro.«
    »Nein.«
    »Und warum nicht? Du bist doch ein Mer.«
    Ein seltsamer Ausdruck huscht über Faros Gesicht. »Ja …«, entgegnet er, aber seine Stimme klingt seltsam zögerlich. »Natürlich bin ich ein Mer … Sapphire, pass auf!«
    Er greift nach meiner Hand und zieht mich so heftig zur Seite, dass wir aus der Strömung herausfliegen und im letzten Augenblick einem schroffen Felsvorsprung entgehen. Erst als wir uns im ruhigen Wasser befinden, lässt er meine Hand wieder los. Dort, wo sich seine Fingerspitzen in mein Fleisch gebohrt haben, sind weiße Flecken zu erkennen. Allein hätte ich nie genug Kraft gehabt, um die Strömung wieder zu verlassen. Faros Stärke ist manchmal fast unheimlich – doch hat er sie benutzt, um mich zu schützen.
    Faro sieht mich erschrocken an. »Das wäre fast ins Auge gegangen. Ich muss mit meinen Gedanken ganz woanders gewesen sein. Ich verstehe gar nicht, wie mir das passieren konnte.«
    »Puh!«, stoße ich aus, während mein rasendes Herz sich allmählich beruhigt. Normalerweise reagiert Faro so schnell wie ein Fisch und nimmt schon den leisesten Anschein einer drohenden Gefahr wahr. Dieser Felsen, den wir nur um Haaresbreite verfehlt haben, hätte uns umbringen können. Hätte mich Faro nicht zur Seite gerissen, dann läge ich jetzt blutend und mit zerschmetterten Knochen auf dem Meeresgrund. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich wirklich begriffen, dass Leben und Tod nur durch eine Sekunde voneinander getrennt sind und wie schnell man sterben kann. Mein Herz schlägt mir immer noch bis zum Hals.
    Faro fährt sich mit der Hand über das Gesicht, als wolle er einen Albtraum wegwischen. Erneut nimmt er meine Hand und betrachtet sie eingehend. Dort, wo sich seine Nägel hineingebohrt haben, blutet sie ein wenig.
    »Ich wollte dich nicht verletzen, kleine Schwester.«
    »Ist schon in Ordnung. Wir hätten sterben können, oder? Ich glaube, du hast gerade mein Leben gerettet.«
    Faro blickt sich um, als wolle er sich vergewissern, dass uns niemand zuhört. »Dieser Ort könnte uns bei lebendigem Leib verschlingen und wäre immer noch hungrig«, flüstert er. »Hier herrscht ein böser Geist – drokobereth . Wir sollten von hier verschwinden.«
    Ich blicke mich angstvoll um. Jetzt sehen die Felsen wie geöffnete Krallen aus, jederzeit bereit, sich ihre Beute zu schnappen.
    »Wo ist Morlader?«
    Faro zeigt nach vorn, wo sich die Felsen zu einer gewaltigen Gebirgskette auftürmen. Ich dachte immer, das Riff in der Nähe unserer Bucht sei groß, doch diese düsteren, kahlen Felsen hier sind zehnmal größer. Sie sehen aus, als wären sie absichtlich hierher gestellt worden, um uns den Weg zu versperren. Sie wollen uns hier nicht haben.
    »Morlader ist schon vorausgeschwommen, zur Versammlung«, sagt Faro.
    »Wo findet die statt?«
    »Ein ganzes Stück von hier. Aber du brauchst keine Angst vor den Bergen zu haben, Sapphire. Wir müssen in sie hinein, das ist der einzige Weg.«
    »Ich habe keine Angst!«
    »Natürlich hast du Angst«, widerspricht Faro und sieht mich ernst an. »Auch ich habe Angst.«
    »Wenn die Berge so gefährlich ist, warum halten die Mer dann ihre Versammlungen auf ihnen ab?«
    »Nicht auf ihnen, in ihnen. Unsere Versammlungshöhle befindet sich tief im Herzen der Berge. Unser Vorfahren haben diesen Ort ausgewählt, weil wir uns dort zur Not ewig vor unseren Feinden versteckt halten könnten. Ein paar wenige Krieger würden schon ausreichen, um uns zu verteidigen.«
    »Welche Feinde?«
    Faro blickt sich aufmerksam um. »Darüber können wir hier nicht reden. »Komm Sapphire, wir müssen ins Gebirge hineinschwimmen. Eigentlich wäre es sicherer, von Süden her zu kommen, aber wir haben jetzt keine Zeit, um auf die andere Seite zu schwimmen.«
    »Kennst du den Weg?«
    »Natürlich«, antwortet Faro. Ich höre ganz deutlich den Zweifel in seiner Stimme, aber uns bleibt keine andere Wahl.
    »Vorsicht«, flüstert Faro. »Schon der kleinste Kratzer von diesen Felsen kann uns tödlich vergiften.« Ganz langsam schwimmen wir weiter, gleiten behutsam um die messerscharfen Felsvorsprünge.
    Im Nu haben sich die Felsen um uns geschlossen. Die steil aufragende Bergkette versperrt uns die Sicht. Nirgendwo kann man sich mehr sicher fühlen. Als würden wir auf schmalen Kanälen durch ein Meer von Gefahren schwimmen. Ich habe in Indigo noch nie gefroren, doch von diesen Felsen geht eine eisige Kälte aus.
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