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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch
Autoren: H Dunmore
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Kopfsalat an, platziere die Tomatenpflanzen an einer sonnigen Mauer und setze ein paar Erdbeertriebe, die ich von Granny Carne bekommen habe. Sie hat mir auch viele Pflanzensamen gegeben. Allerdings kauft sie die nie im Laden, wie sie sagt, sondern bewahrt sie Jahr für Jahr auf. Sie besitzt noch Sorten, die man heute gar nicht mehr bekommen kann.
    Die sind bestimmt aus dem sechzehnten Jahrhundert , hätte ich fast gesagt, hielt mich jedoch zurück. Granny Carne nötigt einem einfach Respekt ab. Außerdem wird mir fast schwindelig, wenn ich daran denke, was sie schon alles mit eigenen Augen gesehen hat. All das Leben, das in ihrer Zeit entstand und verging.
    Granny Carne fuhr behutsam damit fort, die Samen zu sortieren und in kleine braune Umschläge zu füllen, die sie mit ihren eigentümlich eckigen Buchstaben beschriftete. Schließlich sagte sie: »Wenn du es nicht schaffst, eine Familie von einem Stück Land zu ernähren, das so groß ist wie dieses hier, dann stimmt etwas nicht mit dir.«
    Sie bückte sich und zerkrümelte einen Erdklumpen zwischen ihren Fingern. »Achte die Erde und gib ihr zurück, was sie braucht, dann wird sie dich immer ernähren«, sagte sie. Die Vögel zwitscherten so laut, als würden sie ihr zustimmen. Granny Carne berührte den Zweig eines Apfelbaums. »Der wird dieses Jahr in voller Blüte stehen«, sagte sie. »Sieh dir all die Knospen an.«
    Ich hatte bisher noch gar nicht bemerkt, wie viele Knospen die Zweige trugen. Sie waren so fett, dass sie jeden Moment zu Blüten werden konnten. Waren sie wirklich schon vorher da gewesen? Ich war mir nicht sicher. Ich betrachtete aufmerksam Granny Carnes braune Finger, die so aussahen, als könnten sie jederzeit tote Zweige zum Leben erwecken.
    »Dieser Zweig wird sich im September zur Erde neigen, so voller Äpfel wird er sein«, murmelte Granny Carne, bevor sie zur Eberesche hinüberging, die in der Nähe von unserer Tür wuchs.
    »Weißt du, warum dieser Baum hier steht, mein Mädchen?«
    »Nein, Granny Carne«, antwortete ich kleinlaut.
    »Deine Vorfahren waren so klug, ihn nahe an ihrer Türschwelle zu pflanzen, weil sie wussten, dass Ebereschen das Böse fernhalten. Die Eberesche ist ein mächtiger Baum, Sapphire. Sie steckt voller Erdmagie. Tu einer Eberesche niemals weh und schneide sie nur mit größter Vorsicht zurück. Wenn du dafür sorgst, dass sie sich in Ruhe und Frieden entwickeln kann, wirst du immer unter ihrem Schutz stehen.«
    Ich betrachtete die Eberesche mit neuem Respekt. Sie ist kein großer Baum. Im Allgemeinen werden die Bäume hier nicht besonders groß, weil die Winterstürme ihnen zusetzen und das Salz ihr Wachstum hemmt.
    »Nichts Böses soll je diese Schwelle überschreiten«, murmelte Granny Carne, während sie eine Hand an den Stamm hielt.
    Nichts Böses? Was meint sie damit? , fragte ich mich, während ich von einer unbestimmten Angst gepackt wurde.
    »Leg deine Hand an die Rinde, mein Mädchen«, sagte Granny Carne. Ich hob meine Hand. Doch schien eine massive Luftschicht zwischen mir und der Eberesche zu liegen. Sosehr ich es auch versuchte, ich konnte sie nicht durchdringen. Ich ließ die Hand wieder sinken.
    »Es geht nicht, Granny Carne.«
    Ihr scharfer Eulenblick wanderte über mein Gesicht. Zuerst dachte ich, sie würde böse werden, aber dann änderte sich ihre Miene.
    »Willst du nicht oder kannst du sie nicht berühren?«
    »Meine Hand schafft es nicht. Als wäre da eine Barriere, die mich davon abhält.« Ich schaute nervös auf meine Hand und dann wieder zu Granny Carne.
    »Granny Carne, es ist doch nicht, weil ich böse bin, oder? Du hast gesagt, dass die Eberersche alles Böse fernhält. Kann ich sie deshalb nicht anfassen?«
    Granny Carnes faltiges Gesicht sah nachdenklich aus. »Nein, mein Mädchen. Das kommt wahrscheinlich daher, dass dein Mer-Blut sich scheut, mit der starken Erdmagie der Eberesche in Kontakt zu treten. Die Mer haben ja für Bäume nicht allzu viel übrig.«
    »Warum nicht?«
    »Vielleicht weil die Bäume in der Erde wurzeln. Denk daran, mein Mädchen. Es ist nicht das Böse, das die Erde von Indigo trennt, sondern der Unterschied. Doch gibt es viele, die diesen Unterschied für ihre bösen Zwecke nutzen wollen. Sei gewarnt, Sapphire.«
    Ihr Gesicht hatte sich verhärtet. Sie sah mich so forschend an, als suchte sie etwas in meinen Augen.
    »Sei gewarnt«, wiederholte sie. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Wie der Schauer, den ich stets spürte, wenn ich an die
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