Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb
Autoren: Hans Gruhl
Vom Netzwerk:
seinen Hut ab. Das war ein
böses Zeichen. Ich goß neuen Cognac ein, um die drohende Pause zu überbrücken.
    »Vielleicht reden wir über den
richtigen Film«, sagte Serkoff, »nur mit dem falschen Regisseur.«
    Ich zog meine Hand mit der Flasche von
Nathans Glas zurück und stellte sie vorsichtig auf den Tisch.
    Dann nahm Reinold seinen Blick von der
Decke zurück und sah Serkoff an. Er schob die Unterlippe vor und spielte mit
dem Kreuz an seinem Hals. Ich wußte jetzt schon, was kommen würde. Er ging zum
Schreibtisch, drückte auf die Klingel. Tinas gepflegtes Haupt erschien in der
Türspalte.
    »Tina«, sagte Reinold matt und
gleichgültig, »rufen Sie im Hotel an. Ich reise ab. Und drei Flugkarten nach
Paris.«
    Kirschbaum sprang auf wie eine
Spiralfeder. Er tanzte Menuett.
    »Seid ihr verrückt? Morgen wollen wir
drehen!«
    »Nicht ich. Der richtige Regisseur. Laß
mir meinen Scheck fertigmachen, Nathan.« Kirschbaum stürzte zur Tür.
    »Tina, nicht anrufen! Alles Blödsinn!«
Er kam zurück, hob die Arme. »Wir drehen! Wir finden einen Weg!«
    »Neunundzwanzig Tage und meine
Fassung«, sagte Reinold gleichmütig. »Dreiunddreißig Tage und Serkoffs
Fassung.«
    »Neunundzwanzig Tage und meine
Fassung«, sagte Serkoff. Seine Augen funkelten rötlich.
    »Dann wird der Film schlecht«, sagte
Reinold, »aber es wäre nicht der erste schlechte Film vom Serkoff-Verleih.«
    Serkoff stieß die Stirn vor, als hätte
er Hörner drauf.
    »Und nicht der erste von Reinold!«
    Stefan nickte.
    »Schlecht sind die gewesen, bei denen
Sie die Drehbücher vermurkst haben.«
    Das ging gegen Serkoffs Dichterehre. Er
hopste aus dem Sessel.
    »Und Sie desorganisieren jeden
Drehplan! Wenn es nach Herrn Reinold ginge, drehten wir jeden Film ein halbes
Jahr! Mit meinem Geld! Ich gebe neunhunderttausend für diesen Film! Nicht eine
Kopeke mehr!«
    Er war so wütend, daß er in russischer
Währung zählte. Stefan blickte wie ein gereizter Löwe.
    »Dann brauchen Sie mich nicht. Suchen
Sie sich einen, der Ihnen das Ding hinwischt, in neunundzwanzig Tagen.«
    Er trank seinen Cognac aus und erhob
sich. Ich war der einzige, dem er die Hand gab.
    »Servus, Hans! Tut mir leid, daß nichts
draus wird. Servus!«Er ging zur Tür und schloß sie hinter sich. Kirschbaum
blieb einen Augenblick erstarrt. Dann schlug er sich mit der Hand vor die
Stirn.
    »Morgen wollen wir drehen! Morgen! Bin
ich in einem Irrenhaus?«
    »Leg die drei Tage drauf, und du bist
wieder beim Film«, sagte ich.
    Er starrte mich an, dann Serkoff. Dann
schoß er aus der Tür wie ein Feuerwerkskörper.
    Serkoff setzte sich. Sein fauchender
Atem blies über den Tisch. Seine Finger zitterten, als er sich eine Zigarette
anzündete.
    »Sie machen einen Fehler«, sagte ich,
»niemand kann den Stoff so inszenieren wie Stefan, und Sie wissen es. Warum der
Zauber wegen der drei T.age? Es wird bestimmt besser, wenn er mehr Zeit hat.«
    Jetzt war er an der Reihe.
    »Mehr Zeit? Besser? Lehren Sie mich
Regisseure kennen! Seit dreißig Jahren arbeite ich mit Regisseuren! Aus allen
Ländern, von jeder Sorte! Wissen Sie, was sie sagen? ›Wird wunderbarer Film,
wird phantastischer Film! Kriegt alle Preise, Oscar, Biennale, Silberner Bär,
Goldene Palme, Kritiker, alles, alles! Nur, leider, Zeit ist zu kurz! Brauchen
drei Monate, mindestens! Und Geld ist zuwenig. Brauchen drei Millionen,
mindestens.‹ Na, gut, sagt man, mach Film mit drei Monaten und drei Millionen.
Und sie machen. Film kommt heraus. Pleite. Fürchterliche Pleite. Nix Oscar,
Biennale, Bär, Palme, nix! Spielt kaum die Kopien ein! Geld weg! Man geht zu
Regisseur und fragt ihn: ›Wo Preise? Wo Erfolg?‹ ›Nu‹, sagt er.«
    Serkoff zog die Schultern hoch, daß
sein Kopf dazwischen verschwand.
    »Nu geirrt, verstehst du! Geirrt! Irren
sich mit meinem Geld! Kenne Regisseure, sind siebzig Jahre alt, dick und fett,
haben Villa in Italien! Haben sich ihr Leben lang geirrt! Mit fremdem Geld!
Geirrt!«
    Er zwitscherte das und R heraus wie
eine Kreissäge. Dann fluchte er auf russisch weiter. Ich konnte nicht mehr
folgen. Ich trank schnell, um nicht zu lachen. Wunderbar. Geirrt.
    Serkoff drückte die Zigarette aus und
starrte auf die Tischplatte.
    »Trotzdem«, sagte ich, »er wird sich
nicht irren. Ein anderer versaut Ihnen diesen Film. Ihre Idee ist gut. Er dreht
sie. Geben Sie ihm dafür die Zeit.«
    Kein besoffener Kosak konnte seine
Laune so schnell wechseln wie Serkoff.
    »Sie finden gut?«
    Ich log selbstlos vor mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher