Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb
Autoren: Hans Gruhl
Vom Netzwerk:
hin.
    »Ja, ist viel besser, wenn sich am
Schluß herausstellt, die Mutter lebt noch. Ich schreibe es um, und wir machen
es so. Gar kein Problem.«
    Serkoff sah mich an, als hätte ich ihm
soeben die neunhunderttausend Mark bezahlt. Dann sprang er auf, schlug mich auf
die Schulter und sauste hinaus. Ich war wieder allein mit der Flasche. Während
ich den nächsten trank, dachte ich nach. Nichts Besonderes so was, einen Tag
vor Drehbeginn. So war es eigentlich immer. Gar kein schlechtes Omen für den
Film. Und sie würden nachgeben. Stefan hatte sie mal wieder aufs Kreuz
geschmissen. Und mir konnte schließlich alles egal sein. Ich hatte mein Geld
und lebte von den Tagesdiäten, sehr zu Kirschbaums Kummer, aber jeden Tag
vierzig Mark für mich.
    Ich wollte weiter über die vierzig Mark
nachdenken. Es klopfte an die Tür. Leise und zaghaft wie eine Komparsin, die
weiß, daß sie in zwei Minuten wieder draußen ist. Hoffentlich war sie hübsch.
    »Come in!« rief ich.
    Es erschien ein Kopf, den ich kannte.
Schwarzes Haar mit verschämten Wellen. Der Jühl aus der Kantine.
    »Nimm Platz, jugendlicher Mime«, sagte
ich.
    Ich ging zum Waschbecken, spülte eines
der Gläser aus und füllte es mit Cognac für den Jühl.
    »Ob der Meister noch kommt, ist
allerdings fraglich.« Er setzte sich und wies mit dem Kopf zur Tür.
    »Die Sekretärin hat mir keine
Hoffnungen gemacht.«
    »Die macht selten jemandem Hoffnungen«,
sagte ich. »Wir halten so lange aus wie die Flasche. Dann entfernen wir uns
unauffällig.«
    Der Jühl nahm einen kleinen Schluck,
als fürchtete er Salzsäure im Glas zu haben. Er verschluckte sich trotzdem. Die
Tür ging auf, und Reinold kam herein. Der Jühl sprang auf und stand mit dem
Glas in der Hand da wie Lots Weib als Salzstange. Reinold ging um ihn herum,
ohne ihn zu beachten, fiel in seinen Sessel wie vorhin und richtete seine Augen
zum Plafond. »Was ist?« fragte ich.
    »Wir drehen«, sagte Reinold, »seine
Fassung und dreiunddreißig. Nathan finanziert den Rest.«
    »Na also«, ich trank befriedigt mein
Glas aus. »Warum machen sie erst so einen Quatsch?«
    »Sie brauchen das. Es ist für sie
dasselbe, wie bei einem Mädchen zu liegen. Es gehört zu ihrem zweiten
Frühling.«
    Jetzt erst sah er dem Jühl ins Gesicht.
    »Ich gehe sofort wieder«, sagte der
Jühl.
    »Das tust du auch, mein Junge. Und
morgen bist du um neun hier. Zieh wasserdichte Schuhe an. Kennst du die Rolle?«
    »Ungefähr.«
    »Dann kennst du sie besser als die
anderen. Vielleicht kommst du dran, vielleicht nicht. Und nun geh schlafen.«
    Der Jühl machte eine
Tanzstundenverbeugung.
    »Vielen Dank, Herr Reinold!«
    »Trink deinen Cognac!«
    Der Junge tat es. Ich nickte ihm zu,
bevor er verschwand. Eine halbe Stunde später war die Flasche leer und ich auf
dem Weg zu meinem Wagen. In meiner Aktenmappe lagen, auf einen Zettel notiert,
die Änderungswünsche, mit denn ich mich in den nächsten drei Tagen
herumschlagen durfte. Für heute hatte ich genug.
    Ich fuhr durch die lange Allee, die
hinter dem Tor der Sirius-Film-Gesellschaft begann. Der Pförtner hatte mit dem
Kopf gewackelt und sich dann weiter über den entgangenen Lottogewinn geärgert.
Die Sonne war untergegangen, und die Pappeln
    zu beiden Seiten sahen aus wie Fontänen
nach einer Serie von Granateinschlägen. Ich dachte an den vergangenen Tag. Es
war alles wie immer gewesen.
    Aber irgend etwas störte mich. Bis vor
meine Haustür dachte ich darüber nach und kam nicht dahinter. Aber als ich die
Garage abschloß, hatte ich das Gefühl, daß es Ärger geben würde im Studio
sechs.
     
     
     

III
     
    Mein Büro war zum Schlafen geschaffen.
Es lag weit abseits von den Räumen des Stabes. In halber Höhe zwischen Boden
und Decke lief eine schmale Galerie mit Stahlträgern und Bohlenboden.
Eisentüren gingen ab, wie im Zuchthaus oder auf dem Oberdeck eines
Schlachtschiffes, und führten in Kammern, die zu allem möglichen verwendet
wurden. In der ersten Halle an der linken Längswand residierte ich, mit
Schildchen an der Tür.
     
    Drehbuch: H. Trubo.
    Im Anfang hatte ich den Krach von der
Halle gefürchtet, aber es zeigte sich, daß die Tür nichts durchließ. Es war
auch kein Fenster da, nur ein Luftschacht. Er ließ genug Sauerstoff herein und
kaum ein Geräusch. Ich konnte abschließen und mich auf die Couch legen, wenn
mir so war. Meistens war mir so. Am ersten Tag tat ich überhaupt nichts. Am
zweiten Tag erfaßte mich der Schaffensdrang, und ich begann zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher