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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb
Autoren: Hans Gruhl
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ganzen Tag. Nun
mach nicht so ein Gesicht, wenn man dich mal überrascht! Du hast ihn doch auch
gern, oder?«
    Ich nickte. Ich hätte noch absagen
können, irgendeine Ausrede erfinden. Wozu? Als ich den Brief schrieb, hatte ich
daran gedacht, ob ich den Jühl einladen sollte für morgen. Wieder hatte mir der
liebe Gott eine Entscheidung abgenommen.
    »Ich habe mit ihm telefoniert«, sagte
Elsie munter, »eine halbe Stunde. Nett war es. Hab’ ihm auch erzählt, daß wir
auf dem Friedhof die Gaby getroffen haben. Er wußte noch nicht, daß ihr
weiterdrehen wollt.«
    »So?«
    »Ja. Er sagt, es interessiert ihn
nicht. Er hätte keinen Drehtag mehr. Stimmt das?«
    »Viele hat er bestimmt nicht mehr«,
sagte ich.
     
    *
     
    Es war am Vormittag, kurz vor zwölf,
und es war der strahlendste Tag, seit wir bei der Sirius den Film angefangen
hatten. Der Himmel war heiter, und die Leute auf den Straßen schienen es auch
zu sein. Nur ich wünschte, es wäre schon Nacht.
    Aus der Küche hörte ich Elsies Gesang.
Sie arbeitete wie ein Hotelkoch. Ich suchte in meinem Bücherschrank herum nach
der Hausapotheke, die in einer alten Pappschachtel untergebracht war. Nach
einigen Anstrengungen fand ich sie.
    Ein paar von den Tabletten waren noch
da. Es waren sogenannte Gleichgültigkeitspillen, die mir unser Studioarzt
verehrt hatte. Man sollte sie einnehmen, wenn irgend etwas Unangenehmes
bevorstand. Examen, Verhör, Hochzeit oder Hinrichtung. Nichts sollte einen dann
mehr erschüttern. Es hieß, daß in Amerika die Leute sie grundsätzlich gleich
zum Frühstück nähmen.
    Ich ließ drei Stück in meine Hand
fallen, ging zum Bad und schluckte sie mit Wasser, ohne daß Elsie etwas merkte.
Dann trat ich in die Küche und wollte ihr zusehen.
    »Verschwinde! Du stehst im Weg!«
    Ich gehorchte, nicht ohne eine Flasche
Bier und den Schnaps mitzunehmen. Vielleicht lösten sich die Pillen in Alkohol
besser auf. Es klingelte kurz, als ich den zweiten getrunken hatte.
    Der Jühl trug einen artigen Anzug und
hatte eine Orchidee mit.
    »Komm rein«, sagte ich. »Seitdem ich
dich kenne, bekomme ich bedeutend mehr zu essen.«
    »Mir kam’s auch so plötzlich«,
antwortete er. »Aber ich kam nicht zu Wort.«
    Aus der Küche erscholl Protest. Er
verstummte beim Anblick der Orchidee. »Setzt euch schon rein!« befahl die
Köchin. »Hoffentlich seid ihr noch nüchtern, wenn es losgeht!«
    Wir setzten uns an den Tisch, hinter
das sorgfältig aufgebaute Pozellan. Ich schenkte dem Jühl ein. Meine Hand
zitterte leise dabei, aber er bemerkte es nicht. Hoffentlich ging es bald weg.
    »Heute habe ich einen Brief von der
Sirius gekriegt, soll mich klarhalten, falls der Trevor was nachdrehen will.«
    »Warst du schon fertig?«
    »Klar. Hatte nur die paar Szenen.
Glaubst du, mir macht das jetzt noch Spaß, wo der Reinold tot ist?«
    »Niemandem macht das noch Spaß«, sagte
ich. »Aber Drehtage sind Drehtage, und Geld ist Geld. Viel wird aus dem Film
sowieso nicht mehr. Ob der Trevor den versaut oder ein anderer, spielt keine
Rolle mehr. Prost!«
    »Sehr zum Segen«, sagte er.
    Elsie kam mit den Vorspeisen. Die
nächste Stunde verging, ohne daß viel gesprochen wurde. Ich kaute langsam und
dachte nach. Ich kam mir vor wie ein Schuljunge, der Angst hat, vom
Fünfmeterturm zu springen und sich immer wieder hinten anstellt. Meinetwegen
hätte das Essen fünf Stunden dauern können. Als Elsie den Kaffee servierte,
ging eine Veränderung mit mir vor. Ich war hellwach, aber mein Gehirn war zwei
Meter hinter meinem Gesicht und ein Stück weg von der Wirklichkeit. Es war
eigentlich doch ein schöner Tag, und vielleicht wurde alles nicht so schlimm.
    Die Pillen!
    Ich goß uns zum Kaffee einen Schnaps
ein. Meine Hand zitterte nicht mehr. Ich streckte die Beine von mir und legte
die Hände auf den vollen Bauch.
    »Hans! Wie sitzt du wieder da!«
    Ich lächelte Elsie freundlich an und
blieb so sitzen. Der Jühl nahm die gleiche Haltung ein, um mich nicht im Stich
zu lassen. Eigentlich war er ein prima Kerl.
    Dann rauchten wir. Jeder blies seine
Kringel in die Luft, satt und zufrieden, wie die Kuh auf der Weide. Eine
gemütliche, nette Runde waren wir. Es war nur die Frage, wie ich den Anfang
machen sollte. Zum zweitenmal in vierundzwanzig Stunden sprang Elsie für mich
ein, ohne es zu wissen.
    »Herr Jüstel, Sie müssen mir noch
erzählen, was Sie in dem Künstlerlokal getrieben haben. Aus dem hier ist ja
nichts rauszukriegen!
    Der Jühl lächelte. »Ach, es war
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