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NIGHT WORLD - Jägerin der Dunkelheit

NIGHT WORLD - Jägerin der Dunkelheit

Titel: NIGHT WORLD - Jägerin der Dunkelheit
Autoren: Lisa J. Smith
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konnte jetzt überall sein, verirrt in dem riesigen Gerüst, und vielleicht weinte er, vielleicht wurde er von großen Kindern herumgestoßen. Vielleicht würde er es sogar ihrer Mutter sagen.
    Das war der Moment, in dem sie einen Spalt in dem gepolsterten Raum bemerkte.
    Er war gerade groß genug für einen Vierjährigen oder einen sehr schmalen Fünfjährigen, um sich hindurchzuzwängen. Eine Lücke zwischen zwei gepolsterten Wänden, die nach draußen führte. Und Rashel wusste sofort, dass Timmy in diese Richtung verschwunden war. Es sah ihm ähnlich, den schnellsten Weg nach draußen zu wählen. Wahrscheinlich war er in eben diesem Augenblick auf dem Weg zu ihrer Mutter.
    Rashel war eine sehr schmale Fünfjährige. Sie zappelte sich durch die Lücke und blieb nur ein einziges Mal stecken. Dann war sie draußen. Atemlos im staubigen Schatten.
    Sie wollte schon zum Eingang des Klettergerüstes laufen, als sie die flatternde Zeltlasche gleich neben dem Gerüst bemerkte.
    Das Zelt war aus grell rot und gelb gestreiftem Plastik, das viel heller glänzte als die Plastikröhren. Die lose Lasche bewegte sich in der Brise, und Rashel sah, dass jeder sie einfach hochheben und hineingehen konnte.
    Timmy wäre nicht dort hineingegangen, dachte sie. Das hätte ihm überhaupt nicht ähnlich gesehen. Aber irgendwie hatte Rashel ein seltsames Gefühl.
    Sie starrte die Zeltlasche zögernd an und roch Staub und Popcorn in der Luft.
    Ich bin mutig, sagte sie sich, und ging auf das Zelt zu. Sie drückte neben der Lasche auf die Zeltbahn, um die Lücke zu vergrößern, dann reckte sie den Hals und spähte hinein.
    Es war zu dunkel, um etwas zu sehen, aber der Geruch von Popcorn war jetzt stärker. Rashel schob sich langsam weiter vor, bis sie ganz im Zelt stand. Und dann gewöhnten ihre Augen sich an die Dunkelheit, und sie begriff, dass sie nicht allein war.
    Es war ein hochgewachsener Mann im Zelt. Obwohl es draußen warm war, trug er einen langen, hellen Trenchcoat. Er schien Rashel nicht zu bemerken, weil er etwas in den Armen hielt, und sein Kopf war darüber gebeugt, und er tat etwas damit.
    Und dann sah Rashel, was er tat, und sie wusste, dass die Erwachsenen logen, wenn sie behaupteten, Menschenfresser und Ungeheuer und die ganzen Dinge aus den Märchenbüchern gäbe es nicht in Wirklichkeit.
    Denn der große Mann hatte Timmy, und er aß ihn.
     

Kapitel Zwei
    Er aß ihn, oder er machte zumindest etwas mit den Zähnen. Er riss und saugte. Und machte Geräusche wie Pal, wenn er sein Hundefutter fraß.
    Einen Moment lang erstarrte Rashel. Die ganze Welt hatte sich verändert, und alles schien wie ein Traum. Dann hörte sie jemanden schreien, und ihre Kehle schmerzte, und sie wusste, dass sie es war.
    Und dann sah der große Mann sie an.
    Er hob den Kopf und sah sie an. Und sie wusste, dass allein sein Gesicht ihr für immer Albträume bescheren würde.
    Nicht dass er hässlich gewesen wäre. Aber sein Haar war rot wie Blut, und seine Augen leuchteten golden, wie die eines Tieres. Es war ein Licht in ihnen, das anders war als alles, was sie je gesehen hatte.
    Dann rannte sie weg. Es war falsch, Timmy allein zu lassen, aber sie hatte zu große Angst, um zu bleiben. Sie war nicht mutig; sie war wie ein Baby, aber sie konnte es nicht ändern. Sie schrie noch immer, als sie sich umdrehte und durch die Zeltlasche sprang.
    Sie sprang beinahe hindurch. Ihr Kopf und ihre Schultern kamen nach draußen, und sie sah die roten Plastikröhren über sich - und dann packte sie eine Hand an ihrer Bluse. Eine große, starke Hand, die sie mitten in der Bewegung festhielt.
    Rashel war dagegen so machtlos wie ein Katzenbaby.
    Aber gerade als sie in das Zelt zurückgerissen wurde, sah sie etwas. Ihre Muller. Ihre Mutter kam um die Ecke des Klettergerüstes. Sie hatte Rashel schreien hören.
    Die Augen ihrer Mutter waren groß, ihr Mund war offen, und sie bewegte sich sehr schnell. Sie kam angerannt, um Rashel zu retten.
    »Mommeeeeeeee!«, schrie Rashel, und dann war sie wieder im Zelt. Der Mann warf sie auf die eine Seite des Zeltes, so wie ein Kind in der Vorschule ein Stück zerknittertes Papier wegwerfen würde. Rashel landete hart und spürte einen Schmerz in ihrem Bein, der sie normalerweise zum Weinen gebracht hätte. Jetzt bemerkte sie den Schmerz kaum. Sie starrte Timmy an, der neben ihr auf dem Boden lag.
    Timmy sah seltsam aus. Sein Körper war wie der einer Stoffpuppe - Arme und Beine schlaff von sich gestreckt. Seine Haut war weiß.
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