Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
ausgerufen hatte, wenn uns seine heroische Tat
auch beide fast das Leben gekostet hatte — , und Bayard mit seiner Familie zu
evakuieren. Ihre Hütte war von herabfallender Schlacke in Brand gesetzt worden.
    Als wir das Tal verließen, war das
Feuer oben auf der Mesa fast von selbst wieder erloschen. Flugzeuge hatten
feuerhemmende chemische Mittel in eine Schneise entlang der Hauptstraße von
Promiseville gesprüht. Ein paar Gebäude waren den Flammen zum Opfer gefallen.
Ihr zundertrockenes Holz war bestes Futter für die vom Wind herangewehten
Funken gewesen. Lily Nickles’ Haus war darunter. (Zusammen mit meiner Jacke.)
Als wir beobachteten, wie sie Feuer fingen und in sich zusammenfielen, sah ich
den Schmerz in Hys Zügen. Aber als ich ihn ansprach, drehte er sich weg und
heuchelte Gleichgültigkeit.
    Außer der Eindämmung der Flammen blieb
den Rettungsmannschaften nicht viel zu tun übrig. Bis auf Bayard und seine Brut
hatten sich die Wüstenratten zerstreut. Die Mannschaften würden natürlich
versuchen, Hopwoods Leiche zu orten, aber ich bezweifelte ernsthaft, daß sie
auch nur eine Spur von ihm fänden. Selbst von der Talsohle aus hatten sich die
Explosionen im Innern der Mesa so gewaltig angehört, daß sie mit Sicherheit
alle verbliebenen brüchigen Stollen und Gänge der alten Mine zum Einsturz
gebracht hatten. In gewisser Weise schien mir die Mesa auch der passende
Grabdeckel für einen Mann, dem sie zu einem Symbol von Harmagedon geworden war.
    Kristen Lark erwartete uns am Eingang
zum Sheriffbüro. Sie war wie elektrisiert, knisterte vor nervöser Energie, und
als erstes sagte sie zu mir: »Sharon, Sie sehen ja furchtbar aus.«
    »Danke.«
    Ihr sommersprossiges Gesicht wurde rot.
»So habe ich es nicht gemeint. Die Toilette ist dort am Ende des Flurs. Wir
sind im ersten Vernehmungszimmer.«
    Ich ging durch den Flur zur Toilette und
wusch mir Gesicht und Hände. Auf Stirn und Wangen hatte ich ein paar neue
Kratzer. Meine Haare waren wirr und zerzaust. Noch immer trug ich Lily Nickles’
Wollhemd, aber es war schmutzverkrustet, und ein Ärmel war zur Hälfte an der
Schulter abgerissen.
    Ich hatte meine Tasche aus dem
Landrover gerettet, bevor sie uns aus Promiseville evakuierten. Also holte ich
meine Haarbürste heraus und ging ans Werk. Ich machte das Beste aus meiner
langen Mähne und band sie im Nacken mit einem Gummi zusammen, den ich auf der
Ablage gefunden hatte. Dann beugte ich mich vor und inspizierte die frischen
Wunden in meinem Gesicht, aber da schien sich der ganze Raum zu kippen. Ich
hielt mich am Waschbecken fest und wartete, bis alles wieder geradestand.
Inzwischen hatte mein Gesicht die Farbe von kaltem, erstarrtem Haferschleim
angenommen.
    Ich ließ das Becken mit kaltem Wasser
vollaufen und bespritzte damit Gesicht und Handgelenke so lange, bis ich mich
besser fühlte. Nur noch eine kleine Weile, sagte ich mir beim Abtrocknen, dann
kannst du heimfahren und mußt nie mehr an diesen schrecklichen Ort zurück.
    Ich fand Hy und Kristen im
Vernehmungszimmer beim Kaffeetrinken. Auch er hatte sich frisch gemacht und
seine wilden Locken gebändigt. An seinem stoppeligen Kinn glänzte ein Wassertropfen.
Ich nahm die angebotene Tasse Kaffee an, setzte sie aber gleich wieder ab. Er
war mir zu stark und drehte mir den Magen um.
    Kristen Lark schnitt unsere Aussagen
auf Band mit, stellte dann das Tonbandgerät ab und lehnte sich nachdenklich in
ihrem Sessel zurück. »Paßt zu dem, was die Nickles drüben im Washoe County
erzählt hat«, sagte sie.
    »Sie haben Lily in Nevada aufgelesen?«
fragte ich.
    Kristen nickte. »In Reno. Sie hatten
recht mit Ihrer Annahme, daß sie abgehauen ist, weil sie etwas beobachtet hat —
und zwar Hopwood, wie er eine Kiste Dynamit zu dem Stollen schleppte, den er in
die alte Mine gegraben hatte. Scheinbar war sie mal wieder neugierig geworden,
hatte sich umgesehen und ihn entdeckt. Sie konnte sich ausmalen, daß da ein
größeres Ding im Schwange war, und so machte sie sich auf und davon.«
    »Das war nur gut so«, sagte ich. »Ihr
Haus gehörte zu denen, die es erwischt hat.«
    »Vielleicht wäre es nicht verbrannt,
wenn sie jemandem von ihren Beobachtungen erzählt hätte«, sagte Hy.
    Kristen stellte ihre Sessellehne gerade
und stand auf. »Alsdann, damit wäre die Sache wohl erledigt. Eine verdammte
Schande, das Ganze. Dieser verdammte religiöse Spinner. Das ist das Dumme mit
diesen Fanatikern: Jedem geht es nur um die Sache, der Rest kann getrost zur
Hölle
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher